Internationales Beratungszentrum ,
07.05.2003 :
Pressemitteilung / "Die Würde des Menschen ist antastbar geworden" / Veranstaltungsreihe des ibz zum Thema Asylrecht
An die Medien in Ostwestfalen-Lippe
"Die Würde des Menschen ist antastbar geworden, das Recht auf Asyl eine Farce."
Mit diesen Worten beginnt ein Rundbrief des Detmolder Internationalen Beratungszentrum (ibz), der sich mit der aktuellen Situation von Asylsuchenden beschäftigt. Auf insgesamt 16 Seiten wird dabei der Bogen vom Irak-Krieg über die Europäische Menschenrechtskonvention, dem deutschen Asyl- und Ausländerrecht bis hin zur konkreten Situation der in Detmold lebenden Flüchtlinge gespannt. So wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass in den letzten Monaten vor dem Krieg die "Ablehnungsquote von Asylanträgen irakischer Flüchtlinge in Deutschland beinahe 80 % betrug". Oder, dass die Bundesregierung bis heute "keinen Vorschlag für ein einheitliches europäisches Asylrecht, das politisch Verfolgte wirksam schützt, auf europäischer Ebene vorgelegt" habe. Und auch "die bittere Erkenntnis", dass für die von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen geforderte "Wiederherstellung des 1993 faktisch abgeschaffenen Grundrechts auf Asyl keine verfassungsändernde Mehrheit in Sicht" sei, wird thematisiert. Dazu ibz-Mitarbeiter Ferhat Akman: "Trotzdem müssen die verbliebenen Möglichkeiten genutzt werden, um Flüchtlinge zu schützen: auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene."
Nach Akmans Aussage seien Flüchtlinge "mehr denn je auf Beistand zur Durchsetzung ihrer Rechte" angewiesen. Zunehmend an Bedeutung gerate dabei "die Beratung nach dem Anerkennungsverfahren". Genau hier läge "das größte Konfliktpotential bei Auseinandersetzungen mit der Ausländerbehörde der Stadt Detmold". Intensiv geht das ibz in seinem Rundbrief deshalb auch auf das "normale" Ausländerrecht ein und kritisiert in mehrfacher und massiver Weise die Praxis der Stadt Detmold. So "verstecke sich die Behörde in der Regel" hinter der "sogenannten Bestandskraft" und behaupte, sie müsse "frühere Entscheidungen vollstrecken". Dies sei "nachweislich falsch", entgegnet Gudrun Lagemann. Die Flüchtlingsberaterin wörtlich: "Die Stadt Detmold hat wie jede andere Behörde in jedem Stadium zu prüfen, ob Abschiebehindernisse bestehen und darf aufgrund ihrer Bindung an die Verfassung auch eine rechtskräftige Entscheidung nicht vollziehen, wenn eine Grundrechtsbeeinträchtigung zu befürchten sei".
Lagemann erinnert in diesem Zusammenhang auch an die im Juni letzten Jahres geplante Abschiebung der kurdischen Familie Sit: "Trotz fachärztlicher Bescheinigung einer konkreten Suizidgefährdung fand eine Zwangsvorführung beim türkischen Generalkonsulat statt. Den daraufhin von Herrn Sit unternommenen Selbstmordversuch hat er nur dank dem beherzten Eingreifen einer engagierten Bürgerin überlebt." Dem "dramatischen Schicksal dieser Familie" sind im genannten Rundbrief deshalb auch zwei Seiten gewidmet, laut Lagemann, als "konkretes Beispiel für das Ignorieren von Ermessensspielräumen durch das Detmolder Ausländeramt". Das Fazit des ibz: "Ohne Not und sehenden Auges wurde eine menschliche Tragödie verursacht und der Familie unendliches Leid zugefügt!"
"Kaum noch Ermessensspielräume?"
Nach Ansicht des ibz-Teams sind die rechtlichen Möglichkeiten der Ausländerbehörden, Duldungen auch bei negativem Ausgang der Asylverfahren zu erteilen "groß". "Auch wir lesen die Erlasse des Landes NRW genau", diese "Standard-Ausrede der Verwaltung" sei "nicht länger hinzunehmen". Lagemann wörtlich: "Andere Kommunen und auch Kreise nutzen die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten des Ausländerrechts zu Gunsten der Flüchtlinge nach wie vor." Es sei vor allem "eine Frage des Willens" und "keine unzulässige Rechtsfolge". Zur Unterstreichung ihrer Position hat das Flüchtlingsbüro deshalb Rechtsanwalt Rainer Hofemann (Bielefeld), der u.a. die Familie Sit vertritt, zu einer Informationsveranstaltung nach Detmold eingeladen. Unter dem Titel "Kaum noch Ermessensspielräume?" wird der Rechtsanwalt ausführlich auf die aktuellen Handlungsspielräume der Ausländerbehörden eingehen und nach seinem Referat für Fragen und Diskussion zur Verfügung stehen. Die Veranstaltung, die in Kooperation mit dem Bildungswerk Lippe durchgeführt wird, findet am Freitag, den 9. Mai um 19.30 Uhr im "Krug zum grünen Kranze", Bielefelder Straße 42 statt. Interessierte Bürgerinnen und Bürger sind dazu herzlich eingeladen.
Kundgebung gegen "rigorose Abschiebungspolitik"
Laut ibz werde die "Abschiebungspraxis der Stadt Detmold immer rigoroser". Bei einer "in etwa gleichbleibender Anzahl der hier lebenden Flüchtlinge", habe die Ausländerbehörde "innerhalb von drei Jahren die Abschiebungsquote verdreifacht". Der "skandalöse Umgang der Stadt" mit der Familie Sit habe "auch der bewussten Abschreckung und Einschüchterung anderer Flüchtlinge" gedient. Denn, "im Februar diesen Jahres" sei die Stadt "einen Schritt weiter gegangen", so ibz-Mitarbeiter Diether Kuhlmann. Das städtische Vorhaben, "Flüchtlinge automatisch und pauschal in Abschiebehaft zu nehmen sobald der Flugtermin der Abschiebung" feststehe, sei nur an "einer engagierten Öffentlichkeitsarbeit gescheitert". In einem Aufruf zu einer Protestkundgebung schreibt Kuhlmann: "Doch die Kaltschnäuzigkeit, mit einem offenkundig rechtswidrigen Vorhaben die Abschiebungspraxis noch rigoroser als bisher schon gestalten zu wollen", mache nur eines deutlich: Es sei "allerhöchste Zeit, dass sich der Widerstand gegen die im Drei-Viertel-Takt sich verschärfende Gangart der Detmolder Ausländerbehörde" weiter formiere. "
"Gegen die Abschiebungspolitik der Stadt Detmold" will das ibz deshalb am kommenden Samstag, den 10. Mai demonstrieren. Unter der Überschrift "Hier geblieben – Bleiberecht für Flüchtlinge!" habe sich "ein breites Bündnis" zusammen gefunden. Neben einem Grußwort von Prof. Dr. Arno Klönne (Paderborn) und einem Redebeitrag der Geschäftsführerin des Flüchtlingsrates NRW, Irene Dulz, würden der Vorsitzende der "Rom-Union", ein Sprecherin der "Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Einwanderer", Frank Gockel von dem Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V." sowie Vertreter von "attac", der "Arbeitsgemeinschaft Fossoli" und vieler anderer mehr sprechen. Das ibz selbst kündigte eine "engagierte Ansprache" u.a. zu den "Strafanzeigen gegen den CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Stephan Grigat" und der "verstärkten Notwendigkeit der Gewährung von Kirchenasyl" an. Die Kundgebung beginnt um 12.00 Uhr auf dem Bruchberg.
Die geplanten Aktivitäten des ibz sind indes damit nicht beendet. Zwei Veranstaltungen über die Abschiebehaftanstalt in Büren und einen Austausch über die Perspektiven der Flüchtlingsarbeit in Lippe sind im Mai fest terminiert. Auch das Thema Kirchenasyl soll im Juni Thema der Öffentlichkeitsarbeit werden. Schließlich ist "noch vor den Sommerferien" eine "bunte und große Demonstration" in Vorbereitung, damit "der nötige Druck auf die Stadt Detmold, eine Wende in der Flüchtlingspolitik einzuleiten, nicht nachlässt", so das ibz-Team abchließend.
|