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Neue Westfälische , 26.06.2007 :

Die Wiedergängerin / Wie es zur wundersamen akademischen Auferstehung der Gertrud Höhler kam

Von Hubertus Gärtner und Jutta Steinmetz

Die Politik- und Wirtschaftsberaterin Gertrud Höhler erschüttert die Glaubwürdigkeit der Uni Paderborn und des Wissenschaftsministers Andreas Pinkwart (FDP). Wie kam es dazu? Wer ist Frau Höhler?

Paderborn. Bilder sagen oft mehr als tausend Worte. So ist es wohl auch im Fall von Gertrud Höhler. Anfang der neunziger Jahre machte die Literaturprofessorin eine aufsehenerregende Reklame für American Express. Dazu ließ sie sich schneidig und in Reitkleidung auf einem Schreibtisch sitzend von der preisgekrönten US-Fotografin Annie Leibovitz vor einer großen Bücherwand ablichten. Zu Höhlers Füßen lag ihr erwachsener Sohn Abel.

Auf den ersten Blick reizte das Foto zum Lachen. Es wurde aber auch vom Schriftsteller Eckhard Henscheid interpretiert. Wie er dies tat und welche Worte er zur Beurteilung des Verstandes der Professorin fand, ging den Gerichten zu weit. Auf Betreiben Höhlers wurde Henscheid zur Zahlung von 20.000 D-Mark Schmerzensgeld verurteilt.

Um die Anzeigenkampagne rankten sich von Anfang an Mythen: Angeblich wollte die Professorin Höhler ursprünglich sogar mit ihrem Pferd in den Uni-Hörsaal reiten. Doch der Kanzler habe von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und die schräge Inszenierung untersagt.

Höhler, das wird bereits mit diesen Anekdoten deutlich, hat die Paderborner Hochschule mit ihren Kapriolen im Laufe der Jahre Nerven gekostet. "Sie war hier die absolute Luxusbiene", erinnert sich ein Professor und Zeitzeuge, der namentlich nicht genannt werden möchte. Höhler wurde 1972 von Johannes Rau, dem damaligen NRW-Wissenschaftsminister und späteren Bundespräsidenten als Akademische Rätin an der Paderborner Gesamthochschule berufen. Wenngleich Höhler parteilos blieb und wohl auch niemals genuine SPD-Positionen vertrat, wurde sie von Rau gefördert. Beide stammen aus Wuppertal. Höhler wurde dort im Januar 1941 als zweites von vier Kindern eines evangelischen Pfarrers geboren.

In Paderborn las Höhler zunächst über Rilke und moderne Autoren. Ende 1987 ließ sich die Literaturwissenschaftlerin für drei Jahre beurlauben, um den Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG, Alfred Herrhausen, zu beraten. Als Höhler anschließend zur Alma Mater in Paderborn zurückkehrte, brach alsbald ein heftiger Streit aus. Die Professorin wollte plötzlich die Literatur an den Nagel hängen und nun in die Wirtschaftswissenschaften wechseln. Das stieß den Germanisten sauer auf, denn sie befürchteten den Verlust einer wichtigen Stelle.

Es begann ein langwieriges Ringen, in dem Höhler mal der Universität kündigte, um kurz danach wieder ihre Rückkehr zu annoncieren. Im April 1993 setzten Rektorat und Senat dem Treiben, das von heftigen Studentenprotesten begleitet wurde, auch gegen den Willen des NRW-Wissenschaftsministeriums ein Ende. Sie verweigerten Höhler die neuerliche Aufnahme. Danach kehrte die kapriziöse Professorin der Hochschule endgültig den Rücken. Sie fühle sich in Paderborn "verfolgt und verfemt", schrieb sie zum Abschied. Fortan trat sie in Talkshows auf, zierte Kuratorien und schrieb Bücher über die Macht, das Glück, Sinn und Sündenfall, die Frauen und das Teilen.

Bei dieser Vorgeschichte hätte wohl niemand gedacht, dass Gertrud Höhler je an die Paderborner Universität zurückkehren könnte – bis im Frühjahr dieses Jahres eine sechsköpfige Findungskommission um die beiden Paderborner Professoren Jürgen Gausemeier und Wolf-Dietrich Brettschneider Kandidaten für den neuen Hochschulrat suchte. Im stillen Kämmerlein kamen sie zu dem Schluss, dass neben so honorigen Personen wie Ex-Umweltminister Klaus Töpfer und dem Münchner Wissenschaftsexperten Professor Winfried Schulze auch Gertrud Höhler die Universität voranbringen könne.

Ähnlich sah es auch der Senat, das bis dahin oberste Gremium. Dessen 23 Professoren, Uni-Mitarbeiter und Studenten nickten das neue Hochschulrats-Oktett ab, ohne zu ahnen, dass Gertrud Höhler im sächsischen Zwickau einen Mietvertrag mit einem NPD-Abgeordneten geschlossen hatte. Als dies ruchbar wurde, verfiel man in Schweigen – wohl aus Angst vor der eigenen Blamage und der Macht des neuen Hochschulrates.

Geld von der NPD für den Greta-Garbo-Stil

Erst nach Höhlers Eingeständis wurde sie zum Rücktritt aufgefordert. Die 66-Jährige möchte sich aber nicht zum zweiten Mal aus der Paderborner Uni drängen lassen. Obwohl der Druck immer größer wird und vom NRW-Wissenschaftsminister Pinkwart verstärkt wird, lehnt sie bislang den Rücktritt ab. Wie sich die Bilder gleichen: In der aktuellen Internet-Ausgabe des Manager-Magazins posiert Gertrud Höhler im Greta-Garbo-Stil im blütenweißen Hosenanzug vor einer blauen Wand wiederum zusammen mit Sohn Abel als "Society Model". Abel trägt ein Samtsakko und einen Kaschmirpulli. Mutter Gertrud bevorzugt "unter dem Hosensaum verborgen weiße Sneakers auf High Heels". Was Henscheid wohl dazu sagen würde.

Bildunterschrift: Mehrere Gesichter: Gertrud Höhler philosophiert über Werte, eine neue Wirtschaftsethik und betreibt selbst anrüchige Mietgeschäfte.


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