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Höxtersche Kreiszeitung / Neue Westfälische , 21.02.2004 :

Luftkampf über Bad Driburg / Vor 60 Jahren in der Südfeldmark: Ein deutscher Zerstörer rast in einen amerikanischen Bomber

Von Ralf Fritzer

Bad Driburg. Ein fürchterlicher Knall ließ die Bewohner von Bad Driburg am frühen Nachmittag des 21. Februar 1944 aufhorchen. Manch einer glaubte wohl, ihm würde der Himmel auf den Kopf fallen. Stattdessen regnete es am südlichen Stadtrand Bleche und Schrott. Am Himmel über Bad Driburg war bei einem Luftkampf ein deutscher Zerstörer in einen amerikanischen Bomber gerast. Acht Amerikaner und der deutsche Pilot Adolf Wentzel kamen bei diesem Manöver ums Leben.

Bis zu diesem Montag im Frühjahr 1944 hatte der Krieg einen relativ weiten Bogen um Bad Driburg gemacht. Doch jetzt braute sich binnen weniger Minuten das Unheil über der Stadt zusammen. Aus heiterem Himmel detonierten Bomben in der Luft, andere rissen riesige Krater in die Driburger Südfeldmark.

Vier Luftminen fielen als Blindgänger auf die Felder an der Aschenhütte, wo auch der amerikanische B-17 Bomber mit dem Spitznamen "Wilder-N-Hell" niederging. Das benachbarte Gut des Bauern Koch wurde arg zugerichtet. In der Siedlung splitterten die Fensterscheiben und sogar in der zwei Kilometer entfernten Langen Straße gingen Fensterscheiben zu Bruch. Bad Driburg entging nur hauchdünn einer Katastrophe.

Beim Angriff auf Lippstadt wurden die amerikanischen Bomber von Deutschen attackiert

Was war geschehen? Ein Pulk amerikanischer Bomber wurde beim Angriff auf Lippstadt von deutschen Flugzeugen attackiert, unter ihnen ein Zerstörer vom Typ Messerschmitt 410, der zur 4. Staffel des Zerstörergeschwaders 26 "Horst Wessel" zählte, das zu diesem Zeitpunkt in Hildesheim stationiert war. Das weitere Geschehen schildert Hans Boelte in seinem Buch "Der Kreis Höxter in jenen Tagen":

"Im Verlauf eines ausgedehnten Luftkampfes bemerkte der Pilot eines deutschen Jagdzweisitzers, dass seine Maschine nicht mehr zu einer normalen Landung fähig war. Vor sich sah er einen ebenfalls schwer beschädigten US-Bomber. Er forderte seinen Begleiter, der dann in der Nähe von Willebadessen zu Boden kam, auf, mit dem Fallschirm auszusteigen. Dann stürzte er sich von oben auf den Gegner", berichtet Boelte.

Das Ende dieses Luftkampfes beobachtete auch Pater Murrenhoff, der seine Erlebnisse in der Chronik des Missionshauses St. Xaver festhielt: "Der Zerstörer war dicht aufgeflogen und rammte die Superfestung. Es gab einen furchtbaren Aufprall in der Luft - eine Detonation. Die deutsche Maschine flog auseinander; die Superfestung ging zu Boden", schrieb Pater Murrenhoff.

Während der US-Bomber in die Driburger Südfeldmark stürzte, zerlegte sich das deutsche Flugzeug nach dem Rammstoß in der Luft. Wrackteile kamen auf einer gewaltigen Fläche nieder. "Teile der Funkanlage", erinnerte sich Professor Hans Walter Wichert vor zehn Jahren im Eggegebirgsboten, "lagen später im Saal und am Kohlberg, ein Blatt eines Propellers wurde von Holzsammlern in den 50er-Jahren im Gaulekopf gefunden. Reste der Kanzel mit dem Piloten und dessen Tasche fanden sich am Waldrand westlich des Gutes Donhausen, der Rest des Flugzeuges lag in der Milde am Abhang des Waldes Richtung Herste", so Wichert.

Ohne Schuhe aus dem Flugzeug katapultiert

Der deutsche Bordfunker Martin Hollerieth wurde beim Zusammenstoß aus der Maschine geschleudert. Oft hat er später seiner Tochter von dieser kuriosen Geschichte erzählt. "Mein Vater verlor bei der Explosion seine Schuhe", erklärt Isolde Wienke, was in der kalten Jahreszeit - es lag Schnee - zu Erfrierungen geführt habe. Doch was schlimmer war: Martin Hollerieth zog die Reißleine zu früh, erlitt Sauerstoffmangel und wurde ohnmächtig.

Bewußtlos und schwarz von der Explosion erreichte er bei Neuenheerse die Erde. "Dann sind Einheimische gekommen und wollten ihn totschlagen. Sie sind auf ihn drauf, weil sie dachten, dass er ein Amerikaner sei", erläutert Wienke. Hollerieths Leben hing am seidenen Faden. Im letzten Moment wurde er anhand der Wehrmachtssocken noch als Deutscher identifiziert. Im Alter machten sich die Erfrierungen und die Folgen des Sauerstoffmangels bei ihm bemerkbar. Er starb vor rund fünf Jahren in seiner süddeutschen Heimat.

Der letzte amerikanische Überlebende wohnt jetzt in San Francisco

Der letzte Überlebende der Flugzeugkatastrophe über Bad Driburg ist der Amerikaner Delbert C. Miller, der heute in Napa bei San Francisco lebt. Von Maschinengewehrsalven getroffen, schaffte er noch den Absprung aus dem taumelndem Bomber. Er landete mit seinem Fallschirm in einer Schneewehe neben einem Bauernhof.

"It seemed to be the day for the boys named Miller", bemerkt Miller lakonisch, denn außer ihm hat nur noch sein Namensvetter Orvin Miller den Crash überlebt.

Gemeinsam kämpfen sich die beiden Verletzten sechs Tage Richtung Holland durch, bevor sie doch noch entdeckt und festgenommen werden. Gemeinsam kommen sie über Frankfurt in das Kriegsgefangenenlager Hydekrug in Ostpreußen.

In den letzten Kriegsmonaten beginnt eine Odysse, die erst am 26. April 1945 nördlich von Halle endet, als sie von amerikanischen Truppen befreit werden. Am 25. Juni 1945 ist Delbert C. Miller wieder zuhause.

Acht Amerikaner kehrten nicht mehr lebend zurück. Sie wurden zunächst auf dem Stellbergfriedhof in Bad Driburg beerdigt. Später, im März 1946, überführte man sie auf den amerikanischen Soldatenfriedhof "Ardennes" bei Lüttich in Belgien und auf Friedhöfe in Amerika. Auch ihrer soll im Sommer gedacht werden, wenn sich Angehörige der Beteiligten anläßlich einer kleinen Gedenkfeier zum 60. Jahrestag des Flugzeugunglücks in Bad Driburg treffen. Gern möchte auch Delbert C. Miller noch einmal nach Bad Driburg kommen. Dann aber etwas entspannter und als freier Mann, wie er betont.

21./22.02.2004
lok-red.hoexter@neue-westfaelische.de

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