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Antifa-Café in der alten Pauline , 21.02.2004 :

Mittwoch, 03. März 2004 ab 19.30 Uhr in der alten Pauline, Detmold, Bielefelder Straße 3: "Zeitreise BRD" – Filmabend im Antifa-Café

19.30 Uhr: "Der Polizeistaatsbesuch. Beobachtungen unter deutschen Gastgebern."

1967 empfängt die BRD den Schah von Persien zum offiziellen Staatsbesuch. Die Medien berichten ausführlich und auf eine Weise, die der repräsentativen Bedeutung dieses Ereignisses angemessen ist, schließlich gilt der Schah als Star der deutschen Regenbogenpresse. Ausführlichkeit schließt Hintergrundberichterstattung ausdrücklich mit ein, auch kritische: So ist es möglich, dass in der Reihe "Zeichen der Zeit" des SDR unter der Regie von Roman Brodmann eine Reportage entsteht, die später "Der Polizeistaatsbesuch. Beobachtungen unter deutschen Gastgebern" heißen wird.

Brodmann interessiert nicht der Ablauf des offiziellen Ereignisses, sondern alles, was diesen Ablauf ermöglichen bzw. stören könnte. Aus diesem Grund ist er mit seiner Kamera auch zur Stelle, als die entscheidenden Ereignisse ihren Lauf nehmen, die den Staatsbesuch – aus heutiger Sicht – zur Rahmenhandlung ganz anders gelagerter geschichtsmächtiger Umbrüche degradieren: Der "Polizeistaatsbesuch" fängt jene Bilder von den Straßenschlachten zwischen Polizei, Jubelpersern und Demonstrantinnen und Demonstranten ein, die nicht zuletzt deshalb heute zum festen Inventar des visuellen Gedächtnisses der Bundesrepublik gehören, weil im Verlauf der Auseinandersetzungen die Protestbewegung ihren ersten Toten zu beklagen hatte.

„Der Polizeistaatsbesuch. Beobachtungen unter deutschen Gastgebern“ wurde am 26. Juli 1967 in der SDR-Dokumentarfilmreihe „Zeichen der Zeit“ gesendet.

Wie alles begann: Der 2. Juni 1967

Am 2. Juni 1967 sollte der Schah von Persien Berlin besuchen. Bereits im Vorfeld des Besuchs wurden oppositionelle Perser in Berlin ohne jegliche Rechtsgrundlagen festgenommen. Die Autobahnen, auf denen der Schah fahren sollte, wurden abgesperrt. Anhänger des Schahs hatten die Erlaubnis erhalten, ihn mit Jubelgeschrei und Fahnen am Flughafen zu begrüßen.

Als Reza Pahlevi gegen 14.30 Uhr am Schöneberger Rathaus ankam, erwarteten ihn bereits hunderte von Demonstranten - abgeschirmt durch die Polizei und Schahanhängern, welche überwiegend vom iranischen Geheimdienst gestellt wurden. Als erste "Mörder! Mörder!"-Rufe laut wurden und Farbeier erfolglos in Richtung des Schahs geworfen wurden, schlugen die so genannten "Jubelperser" zu. Ausgerüstet mit Holzlatten prügelten sie wahllos auf die Demonstranten ein. Erst nach mehreren Minuten griff die Polizei ein - auf Seiten der "Jubelperser".

Am Abend sollte das Kaiserpaar die "Zauberflöte" in der Deutschen Oper hören. Vor der Oper hatten sich erneut Demonstranten versammelt, ebenso die Polizei unterstützt durch die Schahanhänger. Wieder wurden Sprechchöre laut und es flogen Tomaten und Farbeier. Als der Schah die Oper unversehrt erreicht hatte, rückten die Demonstranten langsam ab, um sich nach Beendigung der Vorstellung erneut zu versammeln.

Doch jetzt kam die "Leberwurst-Taktik" des Berliner Polizeipräsidenten Duensing zum Einsatz: "Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hinein stechen, damit sie an den Enden auseinanderplatzt." Ohne die gesetzlich vorgeschriebene Warnung begannen die Polizisten in die Menge zu knüppeln. Blutüberströmt brachen viele der Demonstranten zusammen und die Aktion "Füchse jagen" begann. Polizei und Jubelperser jagten den flüchtenden Demonstranten in die Nebenstraßen nach. Gegen 20.30 Uhr meinten einige Beamte, in der Nähe der Krumme Straße 66/67 einen "Rädelsführer" ausgemacht zu haben und stürmten los. Um den Studenten herum gab es ein Handgemenge zwischen Polizei und Demonstranten, in das auch der damals 39 jährige Kriminalobermeister in zivil Karl-Heinz Kurras verwickelt war - in seiner Hand eine entsicherte Pistole.

Der Schuss traf den inzwischen halb bewusstlos geprügelten Studenten Benno Ohnesorg über dem rechten Ohr und zerschmetterte die Schädeldecke. Kurras beteuerte hinterher, der Schuss sei ihm versehentlich losgegangen und wurde freigesprochen.

"Am nächsten Morgen musste ich den Schah zum Flugzeug bringen. Ich fragte ihn, ob er von dem Toten gehört habe. Ja, das solle mich nicht beeindrucken, das geschehe im Iran jeden Tag."
Der damalige regierende Bürgermeister von Berlin Albertz (SPD)

20.45 Uhr: "Ja dann, gute Reise ... Abschiebungshaftanstalt in Schleswig-Holstein"

Seit Mitte Januar 2003 hat Schleswig-Holstein ein eigenes Abschiebungsgefängnis. Bis zu 56 Männer können in der umgebauten Jugendarrestanstalt in Rendsburg inhaftiert werden. Die Mehrzahl der Flüchtlinge wird nach dem Ende der Asylverfahren auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörden inhaftiert, aber auch viele Migranten, die ohne gültige Papiere in Schleswig Holstein aufgegriffen werden, sitzen in Rendsburg ein. Hinter Gittern und Stacheldraht warten sie auf die Abschiebung in ihr Herkunftsland oder in ein sogenanntes sicheres Drittland.

Bevor das Rendsburger Gefängnis von der rot-grünen Landesregierung in Betrieb genommen wurde, hatte Schleswig-Holstein keine eigenen Abschiebungshaftplätze. Die Landesregierung behauptet, mit dem neuen Gefängnis die Abschiebehaft zu humanisieren. Nicht nur Flüchtlings-Organisationen werfen ihr hingegen eine Intensivierung des Abschiebebetriebes und damit eine zunehmende Kriminalisierung von Flüchtlingen vor.

Der Film dokumentiert den Alltag innerhalb der Haftanstalt und lässt Kritiker/innen und Befürworter/innen zu Wort kommen.

"Ja dann, gute Reise ... Abschiebungshaftanstalt in Schleswig-Holstein" von Elisabeth Saggau und Ulrich Selle vom November 2003 wurde bisher nicht im Fernsehen gesendet.

Die "Zeitreise BRD" findet ab März 2004 monatlich im Rahmen des Antifa-Café statt. Im April wird die Dokumentation über die rassistischen Pogrome von Rostock-Lichtenhage (1992) "Wer Gewalt sät - Von Brandstiftern und Biedermännern" von Gert Monheim sowie der legendäre "Klingenberg"-Film über die damalige Hausbesetzung in Detmold (1980/81), die zur Erkämpfung der alten Pauline als autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum führte, gezeigt.


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