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Lippische Landes-Zeitung , 20.02.2004 :

Gedenken an exponierter Stelle / Stadtbücherei soll in "Julie-Hirschfeld-Bücherei" umbenannt werden

Horn-Bad Meinberg (upf). Namen sind alles andere als Schall und Rauch. Ganz besonders die jener Menschen, die der Verfolgung der Nazis zum Opfer fielen. Robert Silberstein ist so ein Name, Julie Hirschfeld ein anderer. Beide haben einen Bezug zu Horn, der eine indirekt, der andere direkt. Und so soll künftig die Stadtbücherei nach Julie Hirschfeld benannt werden, um ein Zeichen des Gedenkens an alle jüdischen Bürger zu setzen, die das Dritte Reich nicht überlebten.

Die Geschichte dieser Namensgebung, die jetzt vom Schul- und Kulturausschuss bei zwei Gegenstimmen beschlossen wurde, ist bereits ein paar Jahre alt. Seinerzeit stand der mittlerweile verstorbene Karl Friedrich Titho aus Horn im Licht der Öffentlichkeit: Er hatte während des Zweiten Weltkriegs als SS-Offizier in Italien und Südtirol Polizeilager geleitet, aus denen auch Menschen in die Vernichtungslager deportiert wurden. Ein Ergebnis der Titho-Debatte war die Anregung des Arbeitskreises Fossoli, in Horn-Bad Meinberg eine Straße nach einem Opfer aus dem Durchgangslager Fossoli zu benennen - Robert Silberstein, ein kleiner Junge, der dort im März 1944 geboren und bereits im Mai mit seinen Eltern in Auschwitz ermordet wurde.

Der eingesetzte Arbeitskreis "Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus" hatte im vergangenen Jahr vorgeschlagen, der Stadtbücherei den Namen Robert Silbersteins zu geben. Einerseits um zu zeigen, dass auch aus einer Kleinstadt wie Horn Verbindungen zum Völkermord bestehen konnten. Andererseits, weil die Bücherei ein für das kulturelle Leben der Stadt zentraler und allgemein zugänglicher Ort sei, wo sich jeder Bürger anhand von Informationsmaterial und Literatur weitergehend mit den Schicksalen Verfolgter des NS-Regimes beschäftigen könne.

Mittlerweile hat der Arbeitskreis eine anders lautende Empfehlung erarbeitet, der der Ausschuss auch folgte. Stellvertretend für die Opfer der Nazis sollte an Julie Hirschfeld erinnert werden.

Stellvertretend für alle Opfer der Nazis

Die 83-Jährige wurde während der Pogromnacht am 9. November 1938 in ihrem Haus in der Nordstraße die Treppe hinuntergestürzt und starb an den Folgen der Verletzungen am Tag darauf im Detmolder Landeskrankenhaus. Sie ist auf dem jüdischen Friedhof an der Paderborner Straße begraben. Der Arbeitskreis hält die Person Julie Hirschfeld für geeigneter, da "die Konzentration auf auf nur eine Täterperson nicht den historischen Tatsachen entsprechen würde". Zudem sollte das Schicksal der Opfer in Horn-Bad Meinberg stärker in den Vordergrund gestellt werden. Hinzu komme, dass die Benennung nach einem Opfer aus dem Lager Fossoli "als wenig geeignetes Mittel angesehen" werde, um auf den komplexen Sachverhalt der Deportation hinzuweisen.

Die Aufarbeitung der Thematik soll über die Umbenennung der Stadtbücherei noch hinaus gehen: Eine Gedenktafel ist geplant, die Namen und Lebensdaten der Opfer aus dem Stadtgebiet aufzeigt. Wo sie stehen soll, ist noch nicht festgelegt - aber auf jeden Fall an einem "angemessenen Platz im öffentlichen Raum".


Detmold@lz-online.de

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