Lippische Landes-Zeitung ,
30.12.1980 :
Bitte um Nutzungsmöglichkeit bis einen Monat vor Ablauf der Abbruchfrist
Hausbesetzer "signalisieren" ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einem "friedlichen Abzug" / Wunsch nach Gespräch mit der Stadt um Alternativmöglichkeiten und Gewährung von Straffreiheit
Detmold. Ihre Bereitschaft, die Gebäude in der Hornschen Straße "friedlich" zu verlassen, haben die an der Besetzung beteiligten Interessengruppen in einer gestern veröffentlichten Erklärung signalisiert. Sie verbinden diese Willenserklärung jedoch mit fünf Bedingungen, die sie als "Forderungen" deklariert haben, obgleich sie mit vorgetragenen Wünschen vermutlich auf offenereOhren getroffen wären.
An die Adresse des Rates der Stadt Detmold geht die Bitte, die ihm nach dem Abbruchantrag des Regierungspräsidenten gegebene dreimonatige Frist dahingehend zu nutzen, dass mit dem Abbruch erst einen Monat vor Fristablauf begonnen wird und ihnen bis zu diesem Zeitpunkt die Gebäude weiter als Kultur- und Kommunikationszentrum überlassen werden.
Zwischen der Stadt Detmold und den interessierten Gruppen sollten alsbaldige Verhandlungen über ein anderes, als selbstverwaltetes Kultur- und Kommunikationszentrum geeignetes Haus aufgenommen werden, das für diese Zwecke zur Verfügung gestellt werden kann. Für die Zeit nach dem friedlichen Abzug sollten nach den Vorstellungen der Hausbesetzer geeignete Übergangsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, in denen sie ihre Arbeit fortsetzen können, bis endgültige Räumlichkeiten vorhanden sind.
Die Hausbesetzer erwarten überdies, und diese Bitte geht an den Regierungspräsidenten, dass ihnen im Falle der freiwilligen Räumung der Häuser Hornsche Straße 40 / 42 Straffreiheit zugesichert wird.
Die Anregung, die Belange der an einem Kultur- und Kommunikationszentrum interessierten Gruppen in einer Podiumsdiskussion mit Vertretern von Rat und Verwaltung der Stadt Detmold zu erörtern, wird verständlich vor dem Hintergrund, dass die Jugendlichen am Jahreswechsel 80/81 konkrete Schritte zur Lösung ihres Problems für geboten halten. Dazu führen sie wörtlich aus:
"Leute, die nicht in das herkömmliche Schema des Kulturlebens hineinpassen, finden in Detmold keine Möglichkeit, ihr legitimes Bedürfnis auf kulturelle Betätigung zu verwirklichen. So werden Institutionen wie das Landestheater (Jahresetat 16 Millionen DM), das Kammerorchester Tibor Varga, Freilichtmuseum und sonstige Einrichtungen von Stadt und Land mit großzügigen Subventionen finanziert, während Initiativen wie zum Beispiel der Kunstmarkt völlig unzureichend unterstützt werden. Die Existenz dieser Gruppen muss endlich zur Kenntnis genommen werden. Es muss gesehen werden, wie sich schon seit langem ein verändertes Kulturverständnis und -bedürfnis entwickelt hat. Unser Kulturverständnis begreift sich als Einheit von Kulturschaffung und Kulturkonsum. Diese Einheit bedingt Räumlichkeiten, die die Aktivitäten verschiedenster Interessen- und Altersgruppen ermöglichen. Initiativen, die in diesem Sinne arbeiten, können nicht länger als Minderheiten unterdrückt werden.
Diese kulturelle Bewegung hat in Lippe eine rund zehnjährige Geschichte. Aus den vielfältigen Erfahrungen einzelner Gruppen entstand in Detmold die einhellige Forderung nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum. Dieses Bemühen scheiterte bisher an dem Unverständnis und der Unbeweglichkeit von Rat und Verwaltung. Jahrelang dokumentierten die Zuständigen ihr Desinteresse an einer sozialpolitischen Auseinandersetzung in dieser Sache, indem sie all unsere legalen Bemühungen wie Eingaben, Unterschriftenlisten, Resolutionen, Bittschriften usw. einfach ignorierten. Wir sahen uns daher gezwungen und verpflichtet, zu Mitteln wie der Besetzung zu greifen, um dies zu verdeutlichen und uns Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen."
Wie Detmolds Bürgermeister Friedrich Vogt auf Anfrage der LZ ergänzend mitteilte, haben Vertreter der Besetzer in einem ersten Gespräch mit ihm den Wunsch geäußert, dass sich Vertreter der Stadt einmal ansehen mögen, wie es jetzt in der Fabrik aussehe. Vogt habe darauf zu erkennen geben, dass er eine solche Begehung nur dann für durchführbar hält, wenn die Besetzer zuvor ihre Bereitschaft erklären, das Gebäude vor dem noch festzulegenden Abbruchtermin friedlich zu räumen. Diese Entscheidung, so der Bürgermeister, könne er allerdings nicht allein, sondern nur im Einvernehmen mit den Fraktionsvorsitzenden der drei im Rat vertretenen Parteien treffen.
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