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Lippische Wochenschau , 28.01.1993 :

Autonome: "Kampf gegen imperialistische Großprojekte" / NRW-Verfassungsschutz legt Studie vor

Lemgo. Der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Herbert Schnoor sieht die Gefahr einer Verfestigung der derzeit noch losen Organisationsstrukturen in der so genannten "autonomen Szene", wenn es nicht gelingen sollte, die Welle der fremdenfeindlichen Gewalt von rechts zu stoppen. "Die andauernden Übergriffe gegen Ausländer heizen die Stimmung in dieser Szene an und haben die Bereitschaft zu eigenen gewalttätigen Aktionen ansteigen lassen", sagte Schnoor unter Hinweis auf eine entsprechende Studie des NRW-Verfassungsschutzes, die dem Innenausschuss des Landtages in Düsseldorf zugeleitet worden ist.

Für die autonomen Gruppen, so der Minister weiter, seien die ausländerfeindlichen Gewalttaten "ein in doppelter Hinsicht dankbares Agitationsfeld": Zum einen biete diese Gewalt das Alibi für einen eigenen so genannten "antifaschistischen Aktionismus", der wiederum geeignet sei, die bislang untereinander zerstrittenen Autonomen zusammenzuführen. Zum anderen wolle man mit einer solchen, vermeintlichen fremdenfreundlichen Gewalt auch diejenigen mobilisieren, die in der Vergangenheit mit friedlichen Mitteln ihre Solidarität mit Ausländern bewiesen hätten. "Wer die Solidarität mit Ausländern ernst nimmt, läßt sich jedoch nicht vor den Karren der Autonomen spannen", stellte Schnoor fest. Das Gewaltmonopol sei Sache des Staates, der es sich weder von rechtsextremistischen Gewalttätern noch von Autonomen nehmen lasse werde.

Enstanden waren die autonomen Gruppen Anfang der 80er Jahre. Infolge ihrer offen propagierten militanten Ablehnung des Staates waren sie sehr schnell in das Blickfeld von Polizei und Verfassungsschutz geraten: Die Auseinandersetzungen um das Kernkraftwerk in Brokdorf, um die Endlagerstätte in Gorleben oder die Startbahn West in Frankfurt hatten seinerzeit im "Kampf gegen imperialistische Großprojekte" einen Symbolwert erlangt, der zu einer breiten Mobilisierung der autonomen Szene über mehrere Jahre hinweg geführt hatte.

Nach dem Wegfall dieser Agitationsfelder aber zeigten sich die Autonomen ohne längerfristige Perspektive: Sie beschränkten sich auf lokale Aktionen, überregionale Aktivitäten stießen regelmäßig nur noch auf geringe Resonanz. Zuletzt hatten sie durch Aktionen gegen den Golfkrieg und gegen den Weltwirtschaftsgipfel in München von sich reden gemacht.


lokalredaktion@lippische-wochenschau.de

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