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Schaumburger Zeitung , 12.02.2004 :

Schlag gegen Menschenhandel: Razzia in der "Babalou Bar" / 152 Polizisten in Rinteln und Bad Münder im Einsatz / Drei Männer festgenommen

Von Frank Werner

Rinteln. Über vier Monate Ermittlungen, tagelange Observation, dann in der Nacht auf gestern der Zugriff: Mit 152 Beamten hat die Polizei die "Babalou Bar" in Rinteln und ein ähnliches Etablissement in Bad Münder durchsucht, um eine Organisation von Menschenhändlern zu zerschlagen, die Frauen mit brutaler Gewalt in die Prostitution gezwungen haben sollen. Drei Männer wurden festgenommen – darunter zwei per Haftbefehl gesuchte Hauptverdächtige.

Der rote Teppich wurde den späten Besuchern nicht ausgerollt – er lag schon auf den Fluren, als die Beamten der Bereitschaftspolizei und eines Mobilen Einsatzkommandos um 0.15 Uhr in die "Babalou Bar" stürmten. Gleichzeitig drangen die Einsatzkräfte in das Lokal eines "Freundschaftsvereins" in der Herrengasse ein und durchsuchten die Nachtbar "B 217" in Hasperde/Bad Münder. In der Herrengasse wurde den Beamten der Zutritt verwehrt – die Polizei zerschlug die Glastür.

Der Großeinsatz krönte monatelange Ermittlungen in der Rotlicht-Szene zwischen Rinteln und Bad Münder. Seit Herbst recherchiert die anfangs vier-, dann achtköpfige Ermittlungsgruppe "Schlepper" bei der Polizeiinspektion Stadthagen wegen des Verdachts auf organisierten Menschenhandel. Auf die Spur gesetzt hat die Ermittler vor allem die Aussage eines Opfers, das in der Abschiebehaft umfassenden Einblick in die Strukturen der Schlepperbande gab.

Überraschend kam die Aussage der Rumänin für die Ermittler nicht: Seit die "Babalou Bar" im Sommer 2003 wieder eröffnete, gingen die Beamten zu Kontrollbesuchen ein und aus – immer wieder stießen die Polizisten dabei auf Frauen, die keine Papiere vorzeigen konnten und offenbar der Prostitution nachgingen. Bis zum Einsatz gestern wurden insgesamt 30 Frauen aus Rumänien, Bulgarien, Lettland, Polen und Weißrussland aufgegriffen und ausgewiesen.

Nach der Zeugenaussage machte sich die Ermittlungsgruppe daran, Umfang und Methoden des Einschleusens zu ergründen und die Hintermänner zu überführen. "Nach kurzer Zeit stellten wir fest, dass wir in ein Wespennest gestochen hatten", berichtet Polizeisprecher Axel Bergmann. Als Hauptverdächtiger geriet der 38-jährige Cengiz A. aus Minden ins Visier der Polizei: Der Betreiber der "Babalou Bar" soll der Kopf des organisierten Menschenhandels sein, er soll Verbindungen in sein Heimatland Türkei, Bulgarien, Russland und die Niederlande gepflegt und über diese Wege – so die Polizei – Frauen "mit brutaler Gewalt" nach Deutschland gezwungen haben. Manchmal seien die Opfer von einem Bordell ins nächste gereicht worden. In Bad Münder hat Cengiz A. über seinen Bekannten, den 28-jährigen Mustafa Y., offenbar versucht, ein zweites Bordell zu etablieren.

Die Opfer haben ausgesagt, dass sie psychisch und physisch misshandelt wurden; sie wurden geschlagen, vergewaltigt, mussten Morddrohungen über sich ergehen lassen. "Oft wurden die Ausweise und Pässe einbehalten, die Frauen wurden isoliert, jeglicher Kontakt zu anderen Menschen wurde unterbunden", sagt Polizeisprecher Bergmann.

Bis Anfang Februar hatte die Ermittlungsgruppe fast 50 Einzelverfahren gegen fünf Verdächtige eingeleitet, die Vorwürfe reichten von schwerem Menschenhandel und Zuhälterei über Urkundenfälschung, Drogenhandel bis zu illegalem Glücksspiel. Bereits im November hatte die Polizei einen Bulgaren in der "Babalou Bar" festgenommen.

Mit zwei Haftbefehlen in der Tasche wollten die Ermittler um kurz nach Mitternacht die beiden mutmaßlichen Haupttäter festnehmen. Wenige Minuten vor dem Zugriff verließ Cengiz A. jedoch das Bordell in Rinteln – er wurde wenig später in Minden festgenommen. Mustafa Y. konnte widerstandslos in seiner Wohnung in Porta Westfalica festgenommen werden. Beide sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Aus dem Vereinslokal in der Herrengasse führte die Polizei außerdem einen dritten Verdächtigen ab, den 30-jährigen Hamid A. – er soll für das Glücksspiel hinter den Türen des "Internationalen Freundschaftsvereins Rinteln" verantwortlich sein. Nach der Vernehmung wurde er gestern wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der Verein gab offenbar nur einen Deckmantel für den Drogenhandel, in erster Linie Kokain, und illegales Glücksspiel ab. Personelle Verbindungen legen außerdem den Verdacht einer Verstrickung in den Menschenhandel nahe: Vorsitzender des Vereins war Cengiz A.

In der "Babalou Bar" traf die Polizei auf vier, in Bad Münder auf sechs Frauen ausländischer, meist osteuropäischer Herkunft. Nur drei der Damen konnten einen legalen Aufenthalt nachweisen. Vier Frauen aus der Ukraine und Russland sollen in Abschiebehaft genommen, drei weitere ausgewiesen werden.

In Rinteln entdeckten Spürhunde der Polizei außerdem rund 20 Gramm Kokain. Eine der Frauen versuchte, zwei Spritzen zu verbergen – mehrere Polizisten mussten ihr das Drogenhandwerkzeug gewaltsam entreißen.


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