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Mindener Tageblatt , 12.02.2004 :

Razzia gegen Prostitution: Haupttäter in Minden verhaftet / Menschenhandel, illegales Glücksspiel und Drogen: Bordelle in Rinteln und Bad Münder durchsucht / Zweiter Mann in Porta

Minden/Rinteln (lkp). Nach einer Razzia in Bordellen in Rinteln und Bad Münder ist der Hauptverdächtige in der Nacht zum Mittwoch in Minden festgenommen worden. Den zweiten Mann des international operierenden Menschenhändlerrings stellte die niedersächsische Polizei in seiner Wohnung in Porta Westfalica.

Die Schaumburger Polizei hatte den seit langem polizeibekannten Hauptverdächtigen, einen 38 Jahre alten Türken, nach der Wiedereröffnung der "Babalou- Bar" in Rinteln im Sommer 2003 im Visier. Nach vier Monate langen, intensiven Vorbereitungen einer erst vierköpfigen, später verdoppelten Ermittlungsgruppe (EG) griffen am Mittwoch kurz nach Mitternacht insgesamt 152 Einsatzkräfte in Rinteln und Bad Münder zu.

Im Verlauf des Abends war der 38-Jährige nach Minden gefahren, wo er ebenfalls eine Wohnung hatte. In der Innenstadt nahmen Beamte in Zivil, die den Mann die ganze Zeit observiert hatten, ihn aufgrund eines vorliegenden Haftbefehls fest. "Vollkommen unspektakulär", so der Stadthäger Polizeisprecher Axel Bergmann. Die hiesige Polizei war zuvor über den bevorstehenden Zugriff in Kenntnis gesetzt worden, brauchte aber selbst nicht aktiv zu werden.

Ein 28 Jahre alter zweiter Hauptverdächtiger, ebenfalls in der Türkei geboren, wohnte in Porta Westfalica. "Hier konnte er widerstandslos festgenommen werden", so Bergmann weiter.

Vorläufig aus dem Verkehr gezogen wurde auch ein 30 Jahre alter Türke in den Räumen des Türkischen Kulturvereins in Rinteln, dessen Vorsitzender der 38-Jährige ist. Der 30-Jährige ist "dringend tatverdächtig, für illegales Glücksspiel verantwortlich gewesen zu sein", so Bergmann. Er wurde nach seiner Vernehmung wieder auf freien Fuß gesetzt.

Frau in Abschiebehaft offenbart Praktiken

Begonnen hatte der Schlag gegen den Menschenhandel kurz nach Mitternacht, unterstützt durch Beamte der Bereitschaftspolizei und Kräfte des Mobilen Einsatzkommandos, mit der zeitgleichen Durchsuchung der beiden Objekte in Rinteln und bei Bad Münder. Bei mehreren Kontrollen im vergangenen Jahr wurden immer wieder Frauen ohne gültige Ausweispapiere festgestellt, die in der Bar offensichtlich der Prostitution nachgingen. Insgesamt wurden 30 Frauen aus Rumänien, Bulgarien, Lettland, Polen und Weißrussland aufgegriffen und ausgewiesen.

Eine der abgeschobenen Frauen offenbarte Praktiken der Hintermänner. Die eingerichtete EG "Schlepper" erkannte, welchen Umfang das Einschleusen der Frauen einnahm und mit welchen Mitteln die Frauen überredet wurden, nach Deutschland zu kommen, und setzte sich zum Hauptziel, die Drahtzieher zu überführen. "Bereits nach kurzer Zeit stellten die vier Mitglieder der EG fest, dass sie in ein Wespennest gestochen hatten", sagte Bergmann am Mittwoch.

Als die Ermittler erst einmal festgestellt hatten, wer tatsächlich das Sagen in der Bar hatte, wurden noch andere Verbindungen aufgedeckt. Der 38-Jährige versuchte zwischenzeitlich, im Landkreis Hameln-Pyrmont ein zweites Bordell zu eröffnen. Er ist Vorsitzender eines eingetragenen Kulturvereins in Rinteln, "der jedoch nach jetzigem Ermittlungsstand nur eine Tarnung für einen Treffpunkt für illegales Glücksspiel und ein Umschlagplatz für Betäubungsmittel, in erster Linie Kokain, ist", so der Polizeisprecher.

Der Hauptverdächtige unterhielt weitreichende Verbindungen in die Türkei, Bulgarien, Russland und in die Niederlande. Über diese Wege wurden Frauen, "zumeist gegen ihren Willen und oft mit brutaler Gewalt", so Bergmann, in die Prostitution hier in Deutschland gezwungen. Manchmal wurden die Opfer von einem Bordell ins nächste weitergereicht. In Aussagen von Opfern schilderten Frauen, dass sie sowohl psychisch wie auch physisch misshandelt wurden. Die Gewalt ging von Schlägen über Vergewaltigung bis zu Morddrohungen. Oft wurden die Ausweise und Pässe einbehalten, die Frauen wurden von der Außenwelt isoliert, jeglicher Kontakt zu anderen Menschen wurde unterbunden.

50 Einzelverfahren gegen fünf Tatverdächtige

Bis Anfang Februar leitete die Ermittlungsgruppe fast 50 Einzelverfahren gegen insgesamt fünf Tatverdächtige ein. Die vorgeworfenen Taten lauten: Verdacht des schweren Menschenhandels, Zuhälterei, Urkundenfälschung, unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln und Veranstalten unerlaubten Glücksspiels.

In der Rintelner Bar befanden sich vier Damen, in der Bar bei Bad Münder sechs. Drei konnten nachweisen, dass sie sich legal in Deutschland aufhielten und wurden auf freien Fuß gesetzt. Vier der Frauen stammen aus der Ukraine und Russland. Für sie werden Anträge auf eine Abschiebehaft vorbereitet. Die anderen drei Frauen halten sich ebenfalls illegal in Deutschland auf, werden jedoch aufgrund anderer Heimatländer nicht in Haft genommen, sie erhalten Ausweisungsverfügungen.

Bei den Durchsuchungen sind Spritzen und mit Hilfe von drei Spürhunden rund 20 Gramm Kokain sichergestellt worden.


mt@mt-online.de

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