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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 30.09.1992 :

300 Demonstranten hielten Wacht / Abschiebung syrischer Familie ausgesetzt

Von Stefan Herzog

Die Abschiebung der seit mehr als fünf Jahren in Gütersloh wohnhaften, syrischen Familie Naaoum wurde gestern vorerst ausgesetzt.

Vor allem der gut 300 Köpfe zählenden Schar von Schülern, Lehrern, Kirchenvertretern und Mitgliedern des Flüchtlingsrates, die seit dem frühenMorgen vor der Wohnung der Familie wachten, haben es Georges Naaoum (43) und seine Frau Mariam Abou Akkil (43) sowie deren Kinder Ibrahim (15), Roubier (13) und Marican (11) zu verdanken, dass sie wieder Hoffnung auf Duldung schöpfen können.

Das Schicksal der syrischen Christen hatte nicht nur deshalb so viel Aufsehen erregt, weil die Familie gut integriert ist. Der Vater hatte bei einem Gütersloher Malerbetrieb eine Arbeitsstätte gefunden, die Familie bezieht keine Sozialhilfe mehr. Die müßte die Stadt Gütersloh, sollte ihr Kontingent an Asylbewerbern dann nicht mehr gedeckt sein, jedoch für neu eingereiste Flüchtlinge aufbringen. Entscheidend ist, dass die Klage Naaoums auf politisches Asyl aufgrund eines Formfehlers (der Anwalt hatte es versäumt, einen Zeugen zu benennen) vom Verwaltungsgericht in Minden abgelehnt wurde. Am Montag erhielt die Stadt die Bestätigung dieses negativen Bescheides durch das Oberverwaltungsgericht in Münster. Der aus gleichen Gründen (politische Verfolgung) gestellte Asylantrag von Joseph Issa, dem 40-jährigen Bruder Naaoums, ist dagegen am 5. August positiv beschieden worden.

Weil Christen, laut Auskunft des Auswärtigen Amtes, in Syrien grundsätzlich nicht verfolgt werden, sieht sich der Gütersloher Stadtrechtsrat Michael Hammon an die Gerichtsbescheide gebunden. Georges Naaoum war aber wegen seiner politischen Aktivitäten inhaftiert und gefoltert worden. In einem Telefongespräch mit dem Vater Naaoums in dessen 400 km von Damaskus entfernten Heimatort, erfuhr der Dolmetscher der Familie, dass die Geheimpolizei noch immer in zwei- bis vierwöchigen Abständen die Wohnung des Flüchtlings durchsucht.


lok-red.guetresloh@neue-westfaelische.de

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