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Tatort Stadion - die Ausstellung / 26. Januar bis 20. Februar 2004 in Bielefeld , 11.02.2004 :

Vortrag und Diskussion: "Sie stehen in einem Block und singen ihre Lieder - Fußball und Gewalt" / 19. Februar 2004, 19.30 Uhr, Volkshochschule, Historischer Saal

"Wir stehen in unserm Block und singen unsre Lieder, Wir schwören auf unsere Farben und machen alles nieder - Fußball und Gewalt", so sangen die Böhsen Onkelz in ihrer offen nazistischen Phase 1984 auf dem Album "Der nette Mann". Als Ende der 1970er-Jahre in England Neonazis beschlossen, mit neuen Methoden die Jugend für sich zu gewinnen hielten sie Ausschau, wo und wie dieses Projekt Erfolg haben könne. Sie entschieden sich dort hinzugehen, wo sich Jugendliche nun einmal treffen, und das ist auf Konzerten und in den Fußballstadien. Hier agitierten die Kader der neonazistischen Parteien nun, im RechtsRock mittels, damals für die extreme Rechte noch ungewohnten, Klängen der Rockmusik, die der stramme Parteigänger der NSDAP wohl als "Nigger-Musik" verfolgt hätte.

Auch was sich in den Stadien abspielte hätte wohl nicht in die ordnungsliebenden Parteitagsfilme von Leni Riefenstahl gepasst, da wurde geprügelt, gesoffen und rumkrakelt. Dem Bild des ordentlichen Deutschen entsprachen diese Jugendlichen, die nationale Parteien hier agitierten, in keinem Fall. Die Saat viel jedoch auf fruchtbaren Boden, in England hatten die Parteien großen Zulauf durch
diese "niederschwelligen" und "aufsuchenden" Politikangebote.

Auch in der BRD wurden die Gruppierungen des organisierten Neonazismus, damals noch um Michael Kühnen, auf diese Entwicklung aufmerksam. Auch sie versuchten, hier ihre "SA-Schlägertruppen" zu rekrutieren. Zwar war dieses nicht immer so einfach wie in der Theorie angedacht, aber einige der heutigen Kader der "Bewegung" konnten damals aus der Fußballfanzene rekrutiert werden. Weitaus erfolgreicher als in den Stadien verlief jedoch die Entwicklung des RechtsRock. Hier entstand eine eigene, rechte Kultur. Nach dem Fall der Mauer boomte der RechtsRock, und zwar nicht nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, sondern auch in den alten Bundesländern. Rechts wurde modern, und im Windschatten der Renationalisierung der Gesellschaft und des gesamtgesellschaftlichen Rassismus, der z. B. bei der Frage des Rechts auf Asyl bemerkbar wurde, konstituierte sich eine rechte Szene. Kaum ein Ort, in dem heute nicht solche Szenen präsent sind, manchmal nur als "Dorffaschos", ideologisch unsortiert, rassistisch und schnell mit dem Baseballschläger bei der Hand, manchmal auch als "Freie Kameradschaft", straff organisiert und ideologisch im Sinne des Nationalsozialismus geschult. Und je mehr sie wurden, um so sichtbarer traten sie auch wieder in den Stadien auf, denn Fußball gehört für viele von jenen immer noch zum beliebten Freizeitvergnügen. Auch in den Liedtexten des RechtsRock sind die Schlachtgesänge der Stadien bis heute präsent.

"Durch unseren Sport halten wir zusammen, und das seit langer Zeit, mit zehn zwanzig oder hundert Mann wir sind zu allem bereit", singt die nach der polizeilichen Bezeichnung für gewaltbereite Fußballfans benannte Naziband "Kategorie C". Ihre neonazistischen Parolen verkneift sich der Sänger bei diesem Projekt, hier geht es darum die Hooligan-Szene anzusprechen. „Mal einfach nur zum Fußball zu gehen, davon halten wir nicht viel, am Wochenende toben wir uns aus so ist halt unser Spiel“, beschreiben sie ihr Lebensgefühl.


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