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Neue Westfälische Online , 26.03.2007 :

Bielefeld: Paul-Gerhardt-Kirche besetzt / Aktivisten bleiben nach letztem Gottesdienst im Altarraum

Von Thomas Güntter

Bielefeld. Die Kirchenbänke der Paul-Gerhardt-Gemeinde an der Detmolder Straße waren voll besetzt. Am gestrigen Sonntag Judika wurde der letzte Gottesdienst gefeiert. Die Predigt hielt Superintendentin Regine Burg. Wie mehrfach ausführlich berichtet, soll Paul-Gerhardt an die jüdische Kultusgemeinde verkauft werden. Die Kritiker des Verkaufs wollen sich mit der Schließung der Kirche nicht abfinden. Sie demonstrierten gestern mit schwarzen Fahnen als Zeichen der Trauer vor der Kirche. Die Kritiker werden die Kirche besetzen. Am Palmsonntag, 1. April soll der pensionierte Pfarrer Johannes Hoene predigen.

Die Verkaufskritiker um den ehemaligen Kirchmeister und jetzigen Vorsitzenden der Gemeinnützigen Bürgerinitiative für den Erhalt der Paul-Gerhardt-Kirche, Hermann E. Geller, werfen Superintendentin Regine Burg "Arroganz der Macht" vor. Die Bürgerinitiative habe gegenüber der Kirchenleitung deutlich gemacht, dass sie die jährlich anfallenden Unterhaltskosten von rund 25.000 Euro übernehmen werde. Claus-Rudolf Grünhoff von der Initiative spricht gar von einer "feindlichen Übernahme" der Paul-Gerhardt-Gemeinde durch die Neustädter Mariengemeinde.

Die Fronten in der emotional geführten Debatte sind verhärtet. Bei den Anwürfen hätten die Kritiker Grenzen überschritten, erklärte Kreissynodalvorstand Horst Hase, im Anschluss an den Gottesdienst. So hätten die Kritiker der Superintendentin und dem Pfarrer der Neustädter Mariengemeinde, Alfred Menzel, gedroht: "Wenn sie die Fusion nicht zurücknehmen, werden sie das beruflich nicht überleben."

"Die Kirchenbesetzung ist ein klarer Rechtsbruch"

So wurden gegen Burg und Menzel Dienstaufsichtbeschwerden eingereicht, die aber abgewiesen wurden. Wegen eines angeblichen Vertragsbruchs bei den Fusionsvereinbarungen reichten die Fusionsgegner Klagen bei der Verwaltungskammer und beim Verwaltungsgerichtshof der Union Evangelischen Kirchen ein. Nach Angaben von Landeskirchenrat Dr. Arne Kupke wurden inzwischen beide Klagen abgewiesen. Die Kirchenbesetzung sei ein klarer Rechtsbruch, sagte Horst Hase. Man werde aber keine Polizei einschalten und damit "hässliche Bilder produzieren".

Die Fusion sei wegen des demografischen Wandels und der rückläufigen Steueraufkommens unumgänglich, erklärte Regine Burg. Die Mitgliederzahl von Paul-Gerhardt ist bis Ende 2004 auf 1.565 gefallen. Die Neustädter Mariengemeinde hatte Ende 2006 rund 4.000 Mitglieder. Der Kreissynodalvorstand begrüßt die Verkaufsverhandlungen mit der Jüdischen Kultusgemeinde ausdrücklich. Einen Verkaufspreis nannte die Kirchenleitung gestern nicht.

Die Kritiker sind tief getroffen, empört und verbittert

Die Kirchenkritiker haben in einem offenen Brief an die Superintendentin erklärt, sie seien "tief getroffen, empört und verbittert". Mit der Schließung der Paul-Gerhardt-Kirche provoziere die Superintendentin Kirchenaustritte - mindestens aber eine Umpfarrungswelle.

Das gilt auch für Birgit Müller, die gestern im Gottesdienst eine rote Rose vor dem Altar ablegte und sich verbeugte. Sie gehörte 15 Jahre dem Presbyterium an und ließ sich zur nahen Jakobusgemeinde umpfarren. Müller: "Mit ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl hätte man das besser regeln können."

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Helmar Munkelt, die bis 2066 bei der Gemeinde als Leiterin des Singkreises angestellt war: "Ich bin einfach nur traurig. Das ist menschlich nicht gut abgelaufen."




Anmerkung von www.hiergeblieben.de:

Als "unehrlich, unredlich und feige" hatte Horst Haase, Mitglied des Kreissynodalvorstand und Vorsitzender des Presbyteriums der Evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, Horst Haase, die Kritik des früheren Presbyters der Paul-Gerhardt-Gemeinde, Hermann E. Geller, am Verkauf des Gotteshauses an der Detmolder Straße bezeichnet. Haase reagierte damit auf die Berichterstattung über die von Geller und anderen betriebene Gründung einer Bürgerinitiative für den Erhalt der Paul-Gerhardt-Kirche.

Haase warf Geller vor, er sei erst gegen den Verkauf des Kirchengebäudes aufgetreten, seitdem mit der Jüdischen Kultusgemeinde ein konkreter Kaufinteressent mit Namen und Gesicht aufgetreten sei. Zuvor habe sich Geller als Sprecher der Paul-Gerhardt-Gemeinde vor und nach der Fusion mit der Neustädter Marienkirchengemeinde im Jahr 2005 für einen Verkauf der Kirche ausgesprochen.

Quelle: Bielefelder Tageblatt (MW) / Neue Westfälische, 18.10.2006: "Kritik an Verkauf der Kirche unredlich" / Kreissynodalvorstandsmitglied Haase nimmt Stellung


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