www.hiergeblieben.de

Lippische Landes-Zeitung , 09.02.2004 :

Die Sprache bleibt unverloren / Zum Gedenken an Nazi-Opfer

Detmold (Nv). Mit Eindringlichkeit und großem Ernst hielten drei Solisten des Landestheaters am Samstagabend auf der Kleinen Bühne im Grabbe-Haus das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus wach. Denn, so heißt es bei dem hier zitierten Dichter Paul Celan: "Erreichbar, nah und unverloren inmitten der Verluste blieb dies Eine: die Sprache."

"Wo die schönen Trompeten blasen", hieß der Titel für die dargebotenen Lieder und Texte. Gleich im ersten, von Gustav Mahler vertonten Lied aus "Des Knaben Wunderhorn" erwies sich das Zitat als bitterer Hohn und grausame Satire. Der von der Liebsten Abschied nehmende Soldat erahnt bereits im Trompetenschall die Realität von Gräuel und Tod.

"Ich habe einen Zustand erreicht, in dem die Wölbung über der Seele mir sehr, sehr hoch erscheint" - das berichtet Kim Malthe-Bruun kurz vor seiner Hinrichtung durch die Nazi-Besatzung im Jahr 1945. Der junge Seemann gilt in seinem Heimatland Dänemark als Symbolfigur des Widerstandes. Seine letzten Briefe an die Angehörigen zeugen von großer Seelenstärke, "ohne Hass, wenn auch der Körper voller Furcht reagiert". Immer mehr entwickelt sich bei dem knapp über 20-Jährigen der Blick für das Wesentliche. Angst, so erkennt er, ist etwas, das von innen kommt. Hass erscheint ihm nur als eine Folge der Furcht.

Gelesen wurden diese Texte von Dorothea Geipel, die hier einmal nicht als Sopranistin, sondern als Rezitatorin überzeugte. Zu Wort kam mit Paul Celan auch ein Sohn deutschsprachiger Juden. Der zeitweise in Arbeitslagern internierte Poet schuf eine surrealistische Bilderwelt des Schreckens. Aus einer Todesfuge ist der Satz "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland" zum Allgemeingut geworden. Der Barriton Rainer Weiss bot gemeinsam mit Patrick Francis Chestnut am Klavier alternativ zu den Lesungen die Sprache der Musik dar. In düsteren Molltönen erklangen die dramatisch gefärbten Lieder von Gustav Mahler.

Der gebürtige Brünner Pavel Haas, Schüler von Leos Janácek, ließ seinen Hass auf die Okkupanten ebenso wie seinen Glauben an die Wiedergeburt der Freiheit in den in Theresienstadt 1944 uraufgeführten vier Liedern aufleben, die nach Worten chinesischer Poesie entstanden. Mit der Hommage an den in Auschwitz umgekommenen Komponisten brachten die drei Künstler den Abend zum ergreifenden Abschluss.


Detmold@lz-online.de

zurück