Neue Westfälische ,
07.02.2004 :
"Menschen wie andere auch" / Tschetschenen aus Ostwestfalen demonstrierten gestern in Bielefeld
Bad Driburg/Bielefeld (nim). Rund 80 Tschetschenen aus ganz Ostwestfalen haben gestern in Bielefeld demonstriert. Auslöser war der Fall einer Familie aus Bad Driburg. Die kranke Mutter und ein 17-jähriger Sohn sollen so bald wie möglich nach Russland abgeschoben und somit vom Rest der Familie, unter anderem einem sechs Monate alten Säugling, getrennt werden.
Zoura B. floh im Dezember 2001 mit ihrem heute 17-jährigen Sohn Artus nach Deutschland. Ihr Ehemann sowie zwei Kinder der Familie hielten sich bereits in der Bundesrepublik auf. Bei der Bielefelder Außenstelle des Bundesamtes für ausländische Flüchtlinge stellte sie einen Asylantrag. Sie habe sich, so B., in Tschetschenien an Demonstrationen gegen den Krieg politisch engagiert und habe nun in der Heimat mit Repressalien zu rechnen. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, Zoura B. und Artus sollen nun abgeschoben werden.
Die Abschiebung wird durch den Umstand ermöglicht, dass Zoura und Artus – im Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern – im Besitz gültiger Papiere sind. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Minden ist die Tschetschenin trotz einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung, sie erlitt bereits einen Schlaganfall, und posttraumatischer Störungen reisefähig. "Weder die schwere Erkrankung, noch die Folterspuren am Körper des Ehemannes wurden vom Gericht gewürdigt", sagt Belinda Jungblut, Leiterin des Bad Driburger Asylkreises.
Jungblut: "Das Ausländeramt in Höxter hat den Familienvater mehrmals dazu aufgefordert, sich um die fehlenden Papiere zu bemühen. Somit wäre zumindest eine Ausreise der vollständigen Familie möglich." Doch habe der Tschetschene zu viel Angst davor, sich in der Heimat aktiv um die Dokumente zu kümmern.
Bei der Demonstration in Bielefeld machten die Tschetschenen aus der Region nicht nur auf diesen Einzelfall aufmerksam. "Uns liegt daran, Tschetschenien wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken", sagt Jungblut. "Das Land ist in Vergessenheit geraten."
"Wir haben kein Recht, etwas von Deutschland zu verlangen.
Aber wir bitten, dass man sich mit der Lage in Tschetschenien auseinander setzt und die Abschiebungen bis zum Ende des Kriegs stoppt", hieß es auf der Kundgebung. "In Deutschland stehen Tiere unter dem Schutz des Gesetzes. Wir sind Menschen. Menschen wie alle anderen auch."
07./08.02.2004
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