Gruppe von Tschetschenen in OWL ,
06.02.2004 :
Ein Aufschrei der Seele – Frieden und Sicherheit für Tschetschenen! / Ein offener Brief von Tschetschenen an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die deutsche Öffentlichkeit
Die tschetschenischen Flüchtlinge sind gezwungen ihre Heimat zu verlassen wegen massenhafter Tötungen, Folterungen, Entführungen von Personen und weiterer schwerste Verletzungen der Menschenrechte in Tschetschenien. Viele von uns, die nicht vor den bestialischen Verhältnissen in Tschetschenien fliehen konnten, wurden getötet, gefoltert oder befinden sich in den Filtrationslagern. In Tschetschenien werden wir getötet, unsere ganze Nation wird vernichtet. Wir glauben nicht, dass das achtbare Deutschland sich zum Ziel gesetzt hat, den Menschen auch noch den Rest zu geben, die sich mit Gottes Hilfe vor dem sicheren Tod retten konnten. Verstehen Sie uns richtig. Wir können nirgendwo hin zurückkehren. Jetzt bietet Tschetschenien ein schreckliches Bild, wo überall die Orte von Tod, Schmerz, Blut gezeichnet sind.
Jedes zweite Kind ist zum Waisen geworden, die Frauen haben ihre Männer durch Tod verloren. Ganz vorsichtig geschätzt starben 200.000 Menschen in den letzten 8 Jahren. 75% des Gebiets sind vermint und durch Bomben und Sprengstoff verseucht. Doch trotz allem wird nicht von einem Genozid gesprochen. Doch wie viel getötete und verschwundene Menschen in Tschetschenien sind notwendig, damit es als Genozid anerkannt wird? Wie viel Prozent des tschetschenischen Volkes müssen getötet und gequält werden? Wie viele Menschen müssen in die Verzweiflung und in den Wahnsinn getrieben werden? Wie oft müssen tschetschenische Städte und Dörfer zerstört werden? Wie viele Waisen und Invaliden müssen noch aus dem Land fliehen, damit sich die Menschheit endlich dazu durchringt, den Genozid an den Tschetschenen anzuerkennen, auch wenn das den eigenen ökonomischen Interessen schadet?
Wir sind nicht ohne Grund nach Deutschland gekommen. Wir haben erwartet, dass besonders in Deutschland unsere Probleme verstanden würden. Unsere Väter und Großväter wurden gemeinsam mit der deutschen Bevölkerung von Stalin nach Kasachstan und Sibirien verschleppt. Unsere Großväter haben uns in der Liebe zu Deutschland und den Deutschen erzogen.
Wenn über die tschetschenischen Asylsuchenden gesprochen wird, dann heißt es, sie könnten auch in Russland leben. Menschenrechtler sprechen jedoch über schwerwiegende Diskriminierungen von Tschetschenen auch in Russland. Doch über die tschetschenischen Flüchtlinge wird in Europa geschwiegen. Die erste Frage in der Anhörung beim Bundesamt lautet: Können Sie nicht in Russland leben? Warum halten Sie sich nicht für einen Bürger Russlands? Warum haben Sie einen russischen Pass? Daraufhin tragen sie gegen den Willen der Betroffenen als Staatsangehörigkeit "russisch" ein.
Warum beschäftigen Sie eine russische Dolmetscherin, die uns hasst und uns vorwirft: "Sie machen Russland schlecht", "Wir schmeißen Sie gleich aus dem Bundesamt". Frau G. hat vielen Tschetschenen die Zukunft zerstört. Es ist sehr beschämend, dass andererseits Russen, die als Tschetschenen einen Antrag stellten, ihre Unterstützung fanden. Wir bieten einen tschetschenischen Dolmetscher an, der drei Sprachen beherrscht – tschetschenisch, russisch, deutsch – und der an der Sprache erkennen kann, ob es sich um Tschetschenen handelt. Wir bitten, die Asylanträge von Tschetschenen, in denen Frau G. Dolmetscherin war, noch einmal ernsthaft zu überprüfen und den Betroffenen eine zweite Chance zu geben.
Wir bitten, die Abschiebungen von Tschetschenen nach Russland zu stoppen. Für Tschetschenen besteht in Russland Lebensgefahr. Wir bitten, dass Familien nicht auseinandergerissen werden. Wir bitten, Kinder nicht von ihrer Mutter und Frauen nicht von ihren Männer zu trennen.
Wir möchten nur eine Garantie für unsere Sicherheit. Wir möchten lediglich in Sicherheit und Freiheit leben. Wir möchten normal leben und arbeiten. Viele von uns arbeiten schon und viele würden es gern, wenn sie nur eine Arbeitserlaubnis erhielten. Es ist für uns beschämend, von Sozialhilfe leben zu müssen. Wir möchten, dass unsere Kinder zu respektablen Bürger in Deutschland heranwachsen.
Nach unseren Erlebnissen in Tschetschenien und Russland haben wir in Deutschland gerade ein wenig Ruhe gefunden. Der Schrecken verfolgt uns und unsere Kinder in den Träumen. Die Abschiebung von Tschetschenen beunruhigt uns alle. Wir haben Angst vor Abschiebungen, da Tschetschenen in Russland der Tod droht.
Wir danken Deutschland für die Aufnahme als Flüchtlinge. Wir brauchen Sie heute. Helfen Sie uns! Und wir werden Ihrem Vertrauen gerecht werden.
fluechtlingsrat-bi@web.de
|