Lippe aktuell ,
04.02.2004 :
"Augen auf!" / Zentrale Gedenkfeier in der Geschwister-Scholl-Gesamtschule
Detmold. "Macht die Augen auf und seht meinen Schmerz. Dies was ich euch sage, kommt aus meinem Herzen: Weinende Augen und blutende Wunden, Menschen von Nazis verfolgt und geschunden, gehasst, verachtet, die Würde verloren, eiskalt gefoltert statt neu geboren ... ", so lauten die ersten Zeilen des Geschwister-Scholl-Songs und Nehir Canalc, Nadja Stabler, Gülsen Saglar und Kristin Koch berührten mit ihren Stimmen die Herzen des Publikums. Die Schülerinnen und Schüler des Jahrgangs 12 der Geschwister-Scholl-Gesamtschule bildeten mit ihrem selbst komponierten und getexteten Lied den Schlusspunkt einer beeindruckenden Feierstunde zum Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar.
"Wir erinnern uns - Spurensuche 2004", so hieß das Motto, dass sich die Schülerinnen, Schüler und das Kollegium der zentralen Gedenkfeier in der Detmolder Gesamtschule gegeben hatten. Schülerinnen und Schüler verschiedener Jahrgangsstufen stellten mit Lesungen, Theaterszenen und Musikstücken ihre Art der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte dar. "Damals war es Friedrich" heißt ein Taschenbuch von Hans Peter Richter, das Schüler der achten Jahrgangsstufe betont einfach und gerade deshalb so erschreckend in Theaterszenen umgesetzt haben. Die Nachbarkinder sollten nicht mehr mit ihm spielen, mit Friedrich, dem jüdischen Jungen von nebenan. Die Haushaltshilfe will nicht mehr zu Friedrichs Eltern kommen und der Nachbar rät Friedrichs Vater zu gehen. Später wird Friedrich sterben, weil der Hausverwalter Friedrich nicht in den Luftschutzbunker lässt, seine Eltern überleben den Holocaust nicht.
"Einen Jungen wie Friedrich gab es überall, nicht nur in Detmold", eröffnet Bürgermeister Friedrich Brakemeier sein Grußwort. Er mahnt, die Vergangenheit nicht durch Verschweigen, durch Untätigkeit und Verdrängung zu bewältigen: "Ich bin überzeugt, dass wir aus der Erinnerung an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte Lehren ziehen können, die uns und den nachwachsenden Generationen als Orientierung dienen. Orientierung für die Gegenwart und für die Zukunft."
Eine besondere Orientierung gegeben hatte die "Spurensuche 2004" der Schülerin Carina Schulz. Denn sie hatte die Lebensgeschichte ihres Großvaters Szymon Tenenbaum aufgeschrieben und lebt zur Zeit für ein Jahr in Israel. So übernahm ihre Freundin Gülin Güleryüz ihre Rolle und las aus den Texten vor über die Geschichte des Großvaters, der schwer verwundet nach dem Krieg nach Israel auswanderte, um dann doch wieder nach Deutschland zurückzukehren. 1995 starb er in Detmold, liegt auf dem jüdischen Friedhof begraben und "ich konnte ihn leider nicht mehr alles fragen", so Carina abschließend.
Nach der Gedenkfeier wurde im Foyer die Ausstellung über die jüdische Schule in der Gartenstraße 6 eröffnet. Eine Schüler-AG hat zusammen mit dem Detmolder Stadtarchivar Dr. Andreas Ruppert die acht Tafeln konzipiert, die das damalige Geschehen in und um die Schule dokumentieren. Die Ausstellung ist bis Ende Februar in der Schule zu sehen.
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