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Bielefelder Flüchtlingsrat; Internationales Beratungszentrum (ibz), Detmold; IBZ Friedenshaus e.V., Bielefeld; Friedensbüro e.V., Lemgo , 05.08.2003 :

Gemeinsame Presseerklärung zum Selbsttötungsversuch eines türkischen Mannes im Kreis Gütersloh am 31.07.2003

Ein Mann hat sich selbst angezündet und liegt schwer verletzt und in Lebensgefahr im Krankenhaus. Eine normale menschliche Reaktion wäre sich zu fragen:

- Welche Verzweiflung und welche Ängste haben ihn dazu gebracht?
- Warum hat er keine andere Möglichkeit gesehen?
- Wie sind seine Lebensumstände?
- Wo hätte er Unterstützung finden sollen / können, damit so eine Verzweiflungstat nicht nötig gewesen wäre?

Aber der junge Mann ist türkischer Staatsangehöriger, wiederholt straffällig geworden und hat sich in der Ausländerbehörde selbst angezündet. Da setzen scheinbar alle menschlichen Selbstverständlichkeiten aus und an ihrer Stelle treten Zynismus und Menschenverachtung. Wir bezeichnen das Messen mit verschiedenen Maßstäben an solchen Punkten auch als Rassismus. Statt Betroffenheit und Nachdenklichkeit hören wir als erste Reaktion vom Kreis Gütersloh, dass man sich "auch künftig nicht unter Druck setzen lasse". Es sei "unglaublich, mit welchen Mitteln die Ausreise verhindert werden sollte". Und jetzt gelte eine "neue Bewertungsgrundlage" für die Frage, wann der 33-Jährige nach einer befristeten Ausreise wieder zu seiner Frau und deren Kindern nach Deutschland darf. Zur Erinnerung: Der junge Mann schwebt in einer Spezialklinik in akuter Lebensgefahr! Die Frage ist außerdem für uns, wo für Flüchtlinge und MigrantInnen der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie bleibt.

Man könnte die Aussagen des Kreises Gütersloh psychologisch betrachtet ja auch als schuldabwehrende Schockreaktion erklären. Allerdings ist die Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh bekannt für ihre Härte gegenüber Flüchtlingen und für eine rigorose Abschiebepraxis. Diese Behörde entscheidet "unsensibel, außergewöhnlich hartherzig und unmenschlich über das Schicksal hilfloser und schwerkranker Flüchtlinge", wie die Kritiker im NW-Artikel zu recht bemerken. Von dem Versuch der Mitarbeiter "humane Lösungen zu finden", wie es der Landrat Adenauer bezeichnet, ist in vielen uns bekannten Fällen nichts zu spüren.

Wir wissen nichts über die Hintergründe des türkischen Mannes, der sich auf so dramatische Art das Leben nehmen wollte, aber wir sind der Meinung, dass jeder Mensch Respekt verdient und dass allein die Reaktionen der Ausländerbehörde auf seinen Selbsttötungsversuch absolut menschenverachtend und zynisch sind.

Da es bereits vor wenigen Monaten zu einer Selbsttötung im Zusammenhang mit einem Besuch bei der Ausländerbehörde Kreis Gütersloh gekommen ist, fordern wir jetzt das Innenministerium auf, eine unabhängige Untersuchung über das Vorgehen der Ausländerbehörde einzuleiten. Wir fordern eine Aufklärung der Umstände, die zu dem Selbsttötungsversuch des türkischen Mannes vergangene Woche geführt haben.


fluechtlingsrat-bi@web.de

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