Vlothoer Anzeiger ,
28.11.2006 :
Stumme Erinnerungen im Vlothoer Pflaster / Vorbereitungskreis Stolpersteine lädt zur offiziellen Übergabe am 9. Dezember ein / Jiddische und hebräische Lieder
Vlotho (va). Unermüdlich forscht die Mendel-Grundmann-Gesellschaft Vlotho, wenn es um die jüdische Geschichte der Weserstadt geht. Ergebnisse dieser Forschung wird sie zeigen, nachdem am 5. Dezember erneut Stolpersteine verlegt worden sind.
Von Oliver Plöger
Die begleitende Ausstellung "Sie waren Bürger unserer Stadt" (Teil III) wird am Samstag, 9. Dezember, von 10 bis 12.30 Uhr in der Kulturfabrik gezeigt. Dargestellt, so Manfred Kluge von der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, werden dann auch Informationen zu den frisch verlegten 15 Steinen.
Die offizielle Feierstunde zur Übergabe der Stolpersteine beginnt um 11 Uhr mit Redebeiträgen von Bürgermeister Bernd Stute, der Mendel-Grundmann-Gesellschaft und aus dem Verein Moral & Ethik, der zum Vorbereitungskreis Stolpersteine gehört und den ersten Kontakt zum Künstler Gunter Demnig hergestellt hatte. Geplant ist darüber hinaus ein Vortrag von Schülerinnen und Schülern des Weser-Gymnasiums. Weiter wird eine Musikgruppe - ebenfalls Weser-Gymnasium - für den Rahmen sorgen und hebräische und jiddische Lieder singen. Anschließend ist ein Rundgang zu den 15 Stolpersteinen vorgesehen.
Insgesamt acht Steine werden direkt vor die Kulturfabrik verlegt. Die ursprünglichen Häuser dieser Vlothoer Juden sind nicht mehr vorhanden, der Vorbereitungskreis hielt die Verlegung vor der Kulturfabrik auch deshalb für sinnvoll, da hier die Jugend direkt angesprochen wird. Material legt die Mendel-Grundmann-Gesellschaft - soweit vorhanden - zu jedem einzelnen Namen vor.
Alwin Juchenheim, geboren am 3. Oktober 1889 in Vlotho, war Kaufmann, wurde am 10. Dezember 1941 nach Riga deportiert und am 6. Dezember 1944 im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Paula Juchenheim, geborene Katzenstein, wurde am 8. November 1902 in Lemgo geboren, am 10. Dezember 1941 nach Riga deportiert und gilt in Stutthoff bei Danzig als verschollen.
Emma Juchenheim, geborene Steinberg, kam am 27. Januar 1855 in Vlotho zur Welt, wanderte im Oktober 1935 nach Zaandam in den Niederlanden aus, wurde in Westerbork interniert und nach Sobibor deportiert. Ihr Todestag war der 16. April 1943.
Der Artist Paul Juchenheim, geboren am 28. August 1888 in Vlotho, wanderte 1936 in die Niederlande aus und wurde dort in Amsterdam am 9. April 1943 von einem deutschen Unteroffizier erschossen.
Bereits mit 15 Jahren wurde Lore Juchenheim deportiert. Sie wurde am 25. Mai 1926 in Lemgo geboren, wohnte in Vlotho und gilt im Konzentrationslager Stutthoff als verschollen.
Noch nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau starb Hans Juchenheim - am 2. Juni 1945. Auch er - geboren am 29. Oktober 1928 und mit 13 Jahren deportiert - war Bürger dieser Stadt.
In Hohenhausen kam der spätere Viehhändler Gustav Weinberg zur Welt - am 2. Februar 1874. Aus der Liste der Grundeigentümer der Stadt Vlotho (1910) ist sein Wohnort bekannt: Lange Straße 9. Weinberg verzog 1939 nach Dortmund, wurde 1942 nach Riga deportiert und gilt als verschollen.
Verschollen ist ebenso seine Frau Ella Weinberg, geborene Gronsfeld, die am 6. Januar 1876 in Aerzen zur Welt kam. Der Sohn, Walter Weinberg, konnte in den Niederlanden untertauchen und überleben. Er wanderte nach dem Krieg nach Uruguay aus und war während der "Jüdischen Woche" 1988 in Vlotho.
Vor dem Eingang des Weser-Centers
Der zweite Verlegeort der Stolpersteine wird der Eingang vor dem Weser-Center sein, Lange Straße 62. Hier wird an Adolf Rüdenberg erinnert, geboren am 29. März 1902 in Vlotho, Kaufmann und Sohn der Kaufleute Max Rüdenberg und Rosa Rüdenberg. Adolf Rüdenberg nahm sich am 13. Dezember 1941 vor seiner Deportation in Hannover das Leben. Auf dem jüdischen Friedhof in Hannover-Bothfeld befindet sich noch heute sein Grabstein.
Dritter Verlegeort ist das Pflaster vor dem Gebäude Lange Straße 66. Erinnert wird an Erich Salli Katz, geboren am 4. Mai 1897 in Langenholzhausen. Der Viehhändler ist am 3. Mai 1939 in die Niederlande ausgewandert, wurde nach Theresienstadt deportiert und am 30. September 1944 in Auschwitz ermordet.
Wenige Tage später - am 9. Oktober 1944 - musste auch Irma Katz sterben. Sie war gebürtig aus Gelsenkirchen, geboren am 7. Januar 1901, und wanderte mit ihrem Mann in die Niederlande aus.
In Bergen-Belsen für tot erklärt wurde der Schüler Werner Katz, geboren am 28. Februar in Langenholzhausen, er lebte ebenfalls im Haus an der Langen Straße 66.
Ein Haus mit Geschichte ist das Gebäude an der Moltkestraße 2, vor dem ebenfalls ein Stolperstein verlegt wird. Es wurde 1910 von Michel Grundmann, Vater des Max Grundmann, erbaut. Hier wohnte Selma Grundmann, geboren als Selma Hirsch am 10. Juni 1883 in Sachsenhausen. Selma war mit Max Grundmann (gestorben 1936) verheiratet, verzog 1937 nach Opladen, wurde nach Riga deportiert und gilt als verschollen.
Fünfter Verlegeort ist schließlich vor dem Gebäude an der Hochstraße 8. Erinnert wird an Klara Frank, Mädchenname Felsenthal, geboren am 23. Dezember 1884 in Bochum. Sie war mit Hans Frank verheiratet und lebte mit ihrer Tochter Marianne von 1930 bis 1937 in Vlotho. Dann zog sie nach Leipzig und wurde von dort am 20. Januar 1942 deportiert. Ihr weiterer Verbleib - auch das Ziel der Deportation - ist unbekannt. Klara Frank gilt als verschollen.
Marianne Frank, geboren am 14. Oktober 1923, war Schülerin der Höheren Stadtschule in Vlotho. Sie verzog 1937 nach Leipzig, wurde von dort deportiert und ist im Konzentrationslager Ravensbrück verschollen.
Der Kölner Künstler Gunter Demnig wird die Stolpersteine am Dienstag, 5. Dezember, verlegen. Er will um 9 Uhr vor der Kulturfabrik mit seiner Arbeit beginnen. Die weiter entwickelte Ausstellung "Sie waren Bürger unserer Stadt - Juden in Handel und Wandel der Weserstadt" war ursprünglich der Beitrag der Mendel-Grundmann-Gesellschaft zum Kreis-Geschichtsfest 2000 in Vlotho. Am 9. Dezember wird sie im Foyer der Kulturfabrik begleitend gezeigt.
Bildunterschrift: Auch vor dem heutigen reformierten Gemeindehaus wird ein Stolperstein gesetzt. Hier lebte Selma Grundmann.
redaktion@vlothoer-anzeiger.de
|