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Lippische Landes-Zeitung ,
05.03.1993 :
Generalstaatsanwalt: Unmittelbare Gefahr für größere Straftaten bestand nicht - Polizei nicht über Razzia informiert / Durch Zufall Pläne für Anschläge entdeckt
Detmold (mmh). Sieben Langwaffen, manipulierte Gaspistolen, 200 Schuss scharfe Munition, eine größere Anzahl Feuerwerkskörper sowie Chemikalien und große Mengen Propagandamaterial wurden vorgestern bei einem bundesweiten Zugriff gegen mutmaßliche Rechtsextremisten beschlagnahmt. Außerdem nahmen die Sondereinsatzkommandos 53 Personen vorläufig fest. Wie Oberstaatsanwalt Wolfgang Müller von der Generalstaatsanwaltschaft Celle gestern bestätigte, liegen lediglich zwei - von insgesamt mehr als 60 durchsuchten Objekten - in Nordrhein-Westfalen. Um das laufende Ermittlungsverfahren nicht zu gefährden, bestätigte Müller lediglich, dass es sich in einem Fall um das Zentrum der verbotenen Nationalistischen Front (NF) in der Quellenstraße in Pivitsheide handelte.
Wie weiter zu erfahren war, stießen die Ermittler im vergangenen Jahr im Raum Braunschweig eher zufällig auf Strategiepläne für eine politische Machtübernahme, Konzepte für Anschläge auf Kraftwerke sowie Anleitungen zur Terrorisierung prominenter Persönlichkeiten.
Auch "Todeslisten", auf denen die Namen ideologischer Gegner auftauchten, wurden seinerzeit sichergestellt.
Die Generalstaatsanwaltschaft geht nach einer ersten Überprüfung des umfangreichen Materials davon aus, dass keine unmittelbare Gefahr für die Verübung schwerer Straftaten bestanden habe. Nach Informationen Müllers richtet sich das Verfahren nicht gegen die NF, sondern gegen eine vermutete Organisation, der auch einige NF-Mitglieder angehören. Die Ermittler, zu denen auch Beamte des Bundeskriminalamtes Niedersachsen gehören, nehmen das vorläufige Resultat der Großrazzia eigenem Bekunden nach dennoch nicht auf die leichte Schulter. Im Gegenteil: Obwohl man keine "spektakulären Entdeckungen" gemacht habe, könne der Anfangsverdacht bestätigt erden.
Wie es hieß, konnten vor allem im Bereich Niedersachsen zahlreiche Notizbücher eingezogen werden. Sie könnten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine wichtige Quelle für weitere Erkenntnisse und Querverbindungen seien. Im Gegensatz zu dem großen Zugriff gegen die Nationalistische Front vergangenen Jahres konnte die vorgestrige Aktionen völlig geheimgehalten werden. Selbst die Polizeibehörden vor Ort erfuhren eigenem Bekunden nach von der Razzia in Pivitsheide nur aus den Medien.
Detmold@lz-online.de
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