Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische ,
29.01.2004 :
Erinnerung als Verpflichtung / Schicksal der Herforder Sinti und Roma Thema der Auschwitz-Gedenkveranstaltung
Von Ralf Bittner
Herford. Auch fast 60 Jahre nach der militärischen Niederlage des NS-Regimes ist die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus noch immer aktuell. Für acht Schüler des Ravensberger Gymnasiums war sie Anlass, sich mit der Geschichte der Verfolgung von Herforder Sinti und Roma zu befassen. Für die Nachkommen der damals Verfolgten ist die Vergangenheit noch immer so lebendig, dass sie noch immer nicht über diese Zeit reden wollen.
Auch das "Kuratorium für eine Dokumentations- und Begegnungsstätte in Herford", das zur Gedenkveranstaltung aus Anlass der Befreiunbg des KZs Auschwitz in die Kleine Markthalle eingeladen hatte, hatte die Sinti und Roma bisher nicht im Blickpunkt. Unterstützt von Kurslehrerin Gisela Küster und dem kommissarischen Leiter des Kommunalarchivs, Christoph Laue, betraten die Schüler mit ihrer Recherche zur Geschichte der Herforder "Zigeuner", wie sie im NS-Amtsdeutsch hießen, wissenschaftliches Neuland.
Nur wenige Zigeuner waren dauerhaft in Herford ansässig, so z.B. in der Bombrede, wo sich heute die Nordstadt befindet oder an der Werrestraße. Spuren finden sich kaum noch, und noch heute sind sie nicht gerne gesehen. Obwohl sie sich ihren Lebensunterhalt als fahrende Künstler, Händler oder Handwerker verdienten, stempelte sie die NS-Propaganda zu "Volksschädlingen" , die in letzter Konsequenz "ausgerottet" gehörten. Ebenso wie für die Juden führte der Weg vieler Zigeuner über Erfassung, Klassifizierung und Einschränkung der Bewegungsfreiheit letztlich in die Konzentrationslager. Zwei in Herford ansässige Zigeuner starben nachweislich in Dachau und Neuengamme, von weiteren nicht mehr belegbaren Fällen ist auszugehen.
Nach dem Ende der Nazi-Diktatur war die Diskriminierung der Sinti und Roma noch lange nicht zu Ende. Nur einem kleinen Teil der Überlebenden gelang es, von den Behörden und Gerichten der neuen Republik Entschädigungszahlungen zuerkannt zu bekommen. "Schaden an Freiheit", "Schaden an Leben" und "Schaden im beruflichen Vorankommen" waren drei Gründe für derartige Zahlungen, sofern eine Schuld des NS-Staates belegt werden konnte.
Zum Schluss stellten die Schüler ihre Idee einer Gedenktafel für die Sinti und Roma vor. Neben der Frage nach Gestaltung und Inhalt diskutierten sie mit dem Publikum die Frage des Standortes.
"Die Geschichte des Dritten Reiches verpflichte zu Toleranz und Minderheitenschutz", hatte Bürgermeister Thomas Gabriel in seiner Begrüßung gesagt und angekündigt, dass es in absehbarer Zeit einen zentralen Ort für die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte in Herford geben soll. Dafür sollen Teile des ehemaligen Polizeikellers im Rathaus hergerichtet werden.
lok-red.herford@neue-westfaelische.de
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