Zeitung für den Altkreis Lübbecke / Neue Westfälische ,
29.01.2004 :
"Jeder trägt Verantwortung" / Inszenierung an der Birger-Forell-Realschule zum Holocaust-Gedenktag
Espelkamp. Vor 59 Jahren befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Dieser Jahrestag ist vom früheren Bundespräsidenten Roman Herzog als Holocaust-Gedenktag proklamiert worden. Die Birger-Forell-Realschule erinnert seit vielen Jahren mit Veranstaltungen an diesen Tag. Gestern gestaltete der Schauspieler und Lehrer Jens Guske-Jacobi aus Bad Arolsen die Gedenkveranstaltung. Jens Guske-Jacobi führte das Buch des österreichischen Neurologen und Psychologen Viktor E. Frankl (1905-1997) " ... trotzdem ja zum Leben sagen" auf. Den gespielten Erlebnisbericht verfolgten die Schülerinnen und Schüler von Realschule und Söderblom-Gymnasium mucksmäuschenstill. Ausdrücklich dankte Guske-Jacobi dem Publikum für die "konsequente Stille".
Der einzelne Mensch habe nichts mehr gezählt, schilderte Guske-Jacobi die Erinnerungen Frankls. Wer sich aufgegeben habe, der sei im eigenen Kot liegen geblieben und gestorben.
Viktor Frankl habe er persönlich nie kennen gelernt. Nur telefonischen Kontakt habe er gehabt, antwortete Guske-Jacobi nach der Aufführung auf entsprechende Fragen der Jugendlichen. Frankl sei sehr eigensinnig gewesen und habe den Wunsch, diese Erinnerungen auf die Bühne zu bringen, zunächst abgelehnt. Das könne nur jemand vornehmen, der den Holocaust selbst erlebt hatte, habe ihm Frankl gesagt. "Ich habe dann gesagt, dass dies das Ende des Theaters wäre; wenn nur die betroffenen das dürften."
Guske-Jacobi bekam die Aufführungsrechte dann doch. Mit dem Stück wolle er die Ereignisse dem Publikum näher bringen. Das versucht der Schauspieler und Lehrer nun seit zehn Jahren. Dabei möchte er Frankls Erinnerungen nicht nachspielen. "Ich versuche, mich der Sache anzunähern." Das ist ihm in Espelkamp gelungen; er zog die Jugendlichen in den Bann der Erzählungen.
Es ist auch die Geschichte Frankls, seine Erinnerungen, die der heutigen und den künftigen Generationen Mahnung sein soll. Die Erzählung könne in jeder beliebigen Diktatur angesiedelt sein. Die Nazis hätten aber die Vernichtung der Menschen industriell organisiert.
"Wir müssen uns jeden Tag, jeden Augenblick entscheiden, was wir machen." Jeder sei veranwortlich für das, was er tue und darauf komme es Frankl an, meinte Guske-Jacobi. "Jeder von uns trägt die Verantwortung."
Verantwortung tragen und nicht wegsehen – auch das ist aus Sicht der beiden Pädagogen Peter Werfel (Söderblom-Gymnasium) und Christiane Müller-Griepshop (Birger-Forell-Realschule) eine Lehre.
Das Beispiel einer bisherigen Schülerin des Gymnasiums, die abgeschoben worden war, habe gezeigt, dass man so etwas nicht schweigend hinnehmen dürfe. "Darum müssen wir uns kümmern."
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