Lippische Landes-Zeitung ,
28.01.2004 :
"Jeden Tag daran zu denken, ist hart" / Der 19-jährige Valjoet Krasnic hat Angst vor der Abschiebung
Lügde (jow). "Heiraten möchte ich nicht sofort. Ich würde meine Lebenspartnerin gerne erst richtig kennenlernen", sagt Valjoet Krasnic. Dabei wäre eine Heirat wohl das Einzige, was ihn von einer ständigen Angst befreien könnte: Der Angst, abgeschoben zu werden.
1993 flüchtete Valjoet als Achtjähriger mit seiner Familie aus Jugoslawien. An den Namen seines Heimatorts kann er sich nicht erinnern. "Das ist ungefähr zehn Kilometer entfernt von Pristina." Zurück möchte er auf keinen Fall. "Ich bin doch in Deutschland aufgewachsen. Ich fühle mich als Deutscher."
"Ich fühle mich als Deutscher"
Valjoet Krasnic
Zu seinem Vater, der 1996 in den Kosovo abgeschoben worden sei, habe er keinen Kontakt mehr, und die restliche Familie lebe in Deutschland. Seine Mutter und alle Geschwister haben Deutsche geheiratet und deshalb eine Aufenthaltsgenehmigung. "Unser Haus im Kosovo ist weg und außerdem spreche ich kein jugoslawisch. Wir haben in der Familie immer deutsch gesprochen." Mangelnde Sprachkenntnisse würden gerne als Grund für eine Aufenthaltsgenehmigung angeführt, erklärt Franz Kemper, Leiter der Ausländerbehörde beim Kreis. "Letztendlich ist das aber nicht relevant und kein Grund gegen eine Abschiebung."
Etwas anderes ist allerdings relevant. Es gibt einen Erlass vom Innenministerium, dass Sinti und Roma derzeit nicht abgeschoben werden. Darunter fällt Valjoet. "Deshalb droht ihm jetzt nicht morgen eine Abschiebung." Trotzdem, das macht Kemper klar, sehe er keine Möglichkeit, Valjoet Krasnic eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. "Ich kann es nicht. Ich wüsste nicht, auf welcher Grundlage. Er ist volljährig und sein Asylantrag ist abgelehnt worden."
Also wird der sympathische 19-Jährige weiter in ständiger Angst vor der Abschiebung leben müssen. "Jeden Tag daran denken zu müssen, ist hart", sagt er. Verdrängen ist unmöglich: Wegen seines neu gestellten Asylantrags muss er sich alle vier Wochen bei der Ausländerbehörde melden. Zur Ablenkung arbeitet er derzeit im Jugendzentrum "Lok@l-Motion" in Lügde. "Ich bin einfach kein Mensch, der zu Hause faul auf dem Sofa liegen kann. Ich bin froh, dass Justo mir hier diese Chance gegeben hat." Im "Lok@l-Motion" kommen alle gut mit Valjoet klar, erzählt Betreuer Justo Uceda: "Die Kids hier haben schon gesagt: ,Wenn er abgeschoben wird, machen wir eine Demo.'" Obwohl er im Jugendzentrum gelegentlich auch als Türsteher arbeitet, lacht er nur über das Schlägerimage dieses Jobs: "Schlägereien mag ich nicht. Ich will ja etwas erreichen und nichts versauen."
"Valjoet darf natürlich arbeiten"
Franz Kemper
Für seine Arbeit im "Lok@l-Motion" bekommt der Valjoet Krasnic übrigens kein Geld. "Offiziell arbeiten darf ich ja nicht", sagt er. "Das stimmt doch gar nicht", sagt Kemper von der Ausländerbehörde. "In der Duldung steht zwar: ,Selbstständige Arbeitstätigkeit ist untersagt', aber natürlich kann er sich über das Arbeitsamt vermitteln lassen." Das Arbeitsamt prüft dann, ob für die Arbeitsstelle auch andere Bewerber in Frage kommen - die dann Vorrang haben. Was wäre denn Valjoets Traumberuf? "Ich habe mir immer gewünscht, Polizist zu werden."
Blomberg@lz-online.de
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