Schaumburger Nachrichten ,
06.11.2006 :
Gelungener Dialog der Basis bei Kulturtag / "Offizielle" fehlen beim Fest: Nenndorfer Bürger zeigen sich beschämt / Steffen Holz: "Unmöglich!"
Die Jüdische Gemeinde Bad Nenndorf hat an ihrem Kulturtag ein umfangreiches Programm zum interkulturellen Dialog auf die Beine gestellt – ein lebendiger Austausch bei jüdischer Küche, Kunst und Musik. Für Irritationen sorgte einzig die Frage: "Warum war kein offizieller Vertreter der Stadt dabei?" Rabbiner Jonah Sievers: "Schade, nach den Problemen, die Bad Nenndorf mit rechten Besuchern hatte." Bereits zur von der Jüdischen Gemeinde organisierten Gedenkfeier für die Opfer der Reichspogromnacht im vergangenen Jahr hatten sich keine Vertreter der Stadt blicken lassen.
Bad Nenndorf. "Wir versuchen unsere Kultur näher zu bringen und Freude zu machen - mit Musik, jüdischem Essen und vielen Gesprächen", freute sich die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Marina Jalowaja, etwa 150 Gäste aus Bad Nenndorf und "viele Freunde aus den jüdischen Gemeinden Hameln, Minden und Osnabrück zu begrüßen". Viel Lob gab es für die Organisation und das reichhaltige Büfett: "Alles hat eine Bedeutung", staunte Eva Berthold über die Vielfalt der jüdischen Küche und die "sehr schönen Zitate" auf ausgelegten Zetteln. Wie der "Karottenzinnes" wurde so jede Speise erklärt und zum Gespräch mit den Helfern der Gemeinde angeregt.
Die Chance zum interkulturellen Dialog ließen sich die Besucher verschiedener Konfessionen nicht entgehen. Diese wollten "Respekt zeigen" und waren zugleich "gespannt" auf den Dialog. Rabbiner Jonah Sievers aus Braunschweig, der für fünf Gemeinden zuständig ist, beantwortete alle Fragen: "Was sie schon immer vom Judentum wissen wollten und sich nicht zu fragen getraut haben." "Das interessiert mich sehr", nutzte die "sehr gläubige" evangelische Nenndorferin Helga Wüstefeld diese Gelegenheit "zum ersten Mal in engen Kontakt zum jüdischen Glauben zu treten". Auch Musik verbindet: Mit traditioneller "Klezmermusik" und bekannten Schlagern begeisterten "Nächama" aus Nürnberg Musikliebhaber aller Kulturen.
Ein Aspekt trübte die Stimmung des Festes: Angesichts der aufwendigen Vorbereitung der Gastgeber ist die fehlende Beteiligung der Stadt auf völliges Unverständnis gestoßen. "Unmöglich, kein Grußwort und noch nicht mal eine Absage", kritisierte Steffen Holz vom Deutschen Gewerkschaftsbund Niedersachsen. Von "beklemmend" bis zum von Dietmar Buchholz befürchteten "Ausdruck des Antisemitismus" reichten die Reaktionen sichtlich beschämter Nenndorfer. "Erstaunlich, dass die Stadt hier nichts unterstützt", sagte Irmgard Klingst aus Bückeburg von der Initiative "Alle unter einem Dach", "das läuft bei uns anders". Bedauern auch beim Rabbiner: "Ich finde es sehr schade, dass die Stadt nicht zeigt, dass sie am Dialog interessiert ist – gerade nach den Problemen mit rechten Aufmärschen im Sommer."
1.000 Euro Miete hat die jüdische Gemeinde für die Wandelhalle gezahlt, ein Zuschussantrag wurde von der Stadt abgelehnt. Als Begründung habe Jalowaja verstanden, dass es nicht möglich sei, alle Veranstaltungen zu unterstützen. "Das ist viel Geld für unsere Gemeinde", so die Vorsitzende. Zudem musste die Kunstausstellung ausfallen, "weil wir in der Wandelhalle keine Bilder aufhängen können. Der Bildhauer Roman Manevitch aus Hannover hat uns gerettet und spontan seine Werke mitgebracht", berichtete sie.
Vermisst wurden zudem "Offizielle" anderer Konfessionen. "Der katholische Pfarrer Adalbert Bonk hat sich entschuldigt", so Jalowaja. "Sonst habe ich keine Antworten auf die schriftlichen Einladungen bekommen." Bei allem Bedauern der Gäste zeigte die Vorsitzende Verständnis für die Stadtspitze: "Schade, dass nicht mal ein Vertreter ein Zeichen des Entgegenkommens gezeigt hat. Wir versuchen uns zu integrieren", hoffe sie auf das nächste Jahr. Beim Konzert saß ein Kommunalpolitiker unbemerkt im Publikum: Samtgemeindebürgermeister und künftiger Stadtdirektor Bernd Reese. "Ich freue mich, privat dabei zu sein", erklärte er auf SN-Anfrage, dass er als Stadtdirektor offiziell erst seit Mittwoch im Amt sei.
sn@madsack.de
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