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Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische , 09.05.2006 :

Als Hitler den Unterricht störte / Rechtsextremismus-Tag im Polizeipräsidium

Bielefeld (cos). Der Unterricht lief, plötzlich schnarrte von einem der Schülerpulte her die Stimme Adolf Hitlers. Ein Schüler hatte sich die Aufnahme auf sein Handy überspielt – ein Fall für die Bielefelder Polizei. Ton- und Bilddokumente auf Mobiltelefonen, "das ist ein akutes Problem", sagt Horst Köhler vom Staatsschutz der Polizei. Mit diesem und einigen anderen Problemen in Sachen Rechtsextremismus beschäftigten sich gestern im Polizeipräsidium etwa 100 Schüler, Lehrer und Sozialarbeiter.

Im Präsidium läuft derzeit die bestens besuchte Ausstellung des Verfassungsschutzes "Die braune Falle". Zur zentralen Veranstaltung des Rahmenprogramms hatte die Behörde gestern geladen: "Party, Pogo, Propaganda", unter dieser Überschrift referierte Dr. Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz über die vielfältigen Versuche von Kameradschaften und Rechtsparteien, junge Leute an sich zu binden. "Hass per Mausklick" hatte Rechtsextremismus-Experte Thomas Glaser (www.jugendschutz.net) seinen Vortrag über rechtsextreme Umtriebe im Internet genannt.

Einigermaßen erfolgreich versuchen rechte Parteien und Verlage, ihre Musik per Gratis-CDs unter die Leute zu bringen. Die freien Kameradschaften, regionale Neonazi-Zusammenschlüsse, hatten damit begonnen, und vor zwei Jahren griff die NPD die Idee auf. Und nicht nur die. "Unter deutschen Staatsbürgern weiterverbreiten" stand auf einer CD, die die angehende Diplompädagogin Manuela Kleine auf dem Kontoauszugdrucker ihrer Postbankfiliale gefunden hat. Auf der CD waren rechte Musik und eine Ansprache zu hören. Studentin Kleine gab sie bei der Polizei ab – und ist bis heute erstaunt, dass das Interesse des Wachtmeisters sich in Grenzen hielt.

"Ich kenne diese CD", sagt Köhler. Sie sei eine Werbescheibe der Republikaner, die ebenso wie die NPD und die mit den Parteien verbundenen Rechtsrocker auf Gratis-CDs setzen. Diese Platten seien auch ein Appetitmacher für die kommerziellen, käuflich zu erwerbenden Produkte der rechten Musiker, sagt Pfeiffer. Auf den Erfolg der rechten Gratis-CD-Projekte lässt schließen, dass US-amerikanische Neonazis die Idee kopiert haben.

Die Verbindung Fußball-Rechtsextremismus ist nicht nur in Ostdeutschland virulent. Ole Wolff und Jörg Hansmeier vom Bielefelder Fan-Projekt besuchten die Veranstaltung, weil auch sie das Problem betrifft. Von ihren etwa 200 Stammkunden seien 30 bis 40 als "rechts" einzuschätzen, sagt Hansmeier. Keine Neonazis, aber offen für deren Ideen seien diese jungen Leute. "Viele haben sich ein diffuses Weltbild aus einzelnen Ideen zusammengebastelt", sagt Wolff. Stramm rechts im extremen Sinn sei aber allenfalls eine Handvoll Arminia-Fans. "Und die kommen nicht zu uns."

Staatsschützer Horst Köhler bietet kostenlose Rechtsextremismus-Schulungen für Lehrer an. Kontakt und Infos auf den Seiten des Staatsschutzes unter

polizei-bielefeld.de


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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