Bünder Zeitung / Westfalen-Blatt ,
13.05.2006 :
Neue Brücken bauen und beschreiten / Netzwerkgruppe des Gymnasiums am Markt auf den Spuren von Bünder Juden in Amerika
Von Sandra Knefel
Bünde (BZ). Eine Netzwerkgruppe des Gymnasiums am Markt ist seit 1999 auf Spurensuche der Bünder Juden. Sie fragt sich, was aus den jüdischen Flüchtlingen des Dritten Reichs geworden ist. Zeitzeugen wollte man ausfindig machen, "Geschichte zum Anfassen" erleben. Die Gruppe hat ein Netzwerk der Überlebenden des Holocaust in Amerika entdeckt, mit dem die sie in ständigem Kontakt steht. Nun werden einige Mitglieder der Gruppe (neun Schülern der zehnten und elften Klasse und drei Betreuer) in die USA fliegen, um vor Ort weitere Nachforschungen zu betreiben, Dialoge herzustellen und das Netz auszudehnen. Fäden sollen gesponnen werden. "Die Fäden sind Kommunikationslinien und Dialogversuche zwischen vier Generationen jüdischer und nichtjüdischer Menschen", erläutert Lehrerin Christina Whitelaw, Leiterin der Gruppe. Auch die Freundschaft mit den Bekannten, die im letzten Jahr selbst zu Besuch in Bünde waren, soll intensiviert werden. "Viele Überlebende waren traurig, dass sie nicht selbst mit nach Bünde fahren konnten - ihr Wunsch war, dass wir sie dort besuchen", so Whitelaw.
Nach dem Bundesministerium, das die Gruppe 2003 ehrte, ist nun auch die "Aktion Mensch" aufmerksam geworden und unterstützt die Reise mit 5.000 Euro, damit die Brücke über den großen Teich weiter beschritten werden kann. Die Gruppe versteht sich als Botschafterin, die die Wandlung der Atmosphäre in Deutschland in die USA tragen will. Mit der ehemaligen Heimat Bünde verbinden viele noch Schmerz, emotionaler Kälte und Verachtung. Darum findet oft die Annäherung beider Seiten nur vorsichtig statt. Nun sollen die "Herzen weiter aufgeschlossen werden".
In Chicago wird die Gruppe von David Sperling betreut, einem Enkel der geflüchteten Bünder Familie Rosenwald. Die Gruppe möchte dort der mit allen Flüchtlingsgenerationen über die Vergangenheit reden. Vom Austausch und Kontakt erhoffen sich die Schüler auch ein Stück mehr Weltoffenheit. Zudem wollen sie ihre Rolle als Botschafter erfüllen und zeigen, dass sich Jugendliche für das Thema interessieren.
Man wird auch am von Sperling koordinierten Projekt "Play for Peace" teilnehmen. Dabei geht es um das Aufeinadertreffen von Menschen verschiedener Religion und Herkunft, um Dialog, Toleranz und Verständnis. Sperlings Traum sei es, ein "Holocaustbewusstsein" zu etablieren, erläutert Whitelaw. In der Chicagoer Synagoge soll das Schicksal einer jüdischen Familie aus Bünde vorgetragen werden, die Geschichte von traumatisierten Kindern, die noch immer im Schatten des Holocaust leben.
In Denver erwartet die Gruppe ein herzliches Zusammentreffen mit Freunden wie Elaine Spanier: Sie ist die Witwe von Werner Spanier, dem Gründer der Initiativgruppe, die ihn liebevoll "unseren Bünder Überlebenden" nennt. Er habe bereitwillig in seine Vergangenheit geführt und so auch die Schüler ein Stück weit in die Zukunft begleitet. Das Lernen aus der Vergangenheit sei eine gute Vorbereitung für die Zukunft und wertvoll für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen, betont Schulleiter Bernhard Herrich. Für alle Beteiligten ist es immer wieder interessant, verschiedene Sichtweisen zusammenzubringen und einen Dialog zwischen jüdischen und nichtjüdischen Menschen herzustellen.
Die Stadt Bünde verfolgt die Arbeit der Gruppe schon lange, wie Bürgermeisterin Anett Kleine-Döpke-Güse mitteilt. Sie betrachtet sie als Botschafter der ganzen Stadt, die 500 Euro Fördermittel für die Reise zur Verfügung gestellt hat. Auch andere Sponsoren haben die Netzwerkgruppe unterstützt, damit das Projekt lebendig bleiben kann.
13./14.05.2006
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