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Die Glocke , 12.09.2006 :

Antifaschistisches Camp mit Zeitzeugen und "Edelweißpirat"

Schloß Holte-Stukenbrock (gl). Arbeitsgruppen zum Thema "Krieg und Militarismus" und ein Zeitzeugengespräch standen im Mittelpunkt des antifaschistischen Treffens auf dem Gelände des ehemaligen Strafgefangenenlagers in Stukenbrock-Senne. 150 junge Menschen kamen kürzlich auf geschichtsträchtigem Gelände zusammen. Im Senner "Stalag 326" wurden bis 1945 etwa 65000, vorwiegend russische Kriegsgefangene ermordet.

Nach einer Einführungsveranstaltung zur Geschichte des Stalags widmete sich ein Vortrag der deutschen Außen- und Militärpolitik. Außer aktuellen Entwicklungen wurde auch die Frage nach einer Kontinuität deutscher Politik nach 1945 gestellt. Mit dabei war in Schloß Holte-Stukenbrock auch ein Zeitzeuge des Stalags: Professor Dr. Wladimir Naumow war als minderjähriger Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion nach Bielefeld verschleppt worden.

Bei der offiziellen Gedenkfeier des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" war der Europaabgeordnete Tobias Pflüger (Linkspartei) Hauptredner vor etwa 300 Menschen. Auch ein Teilnehmer des antifaschistischen Treffens sprach ein Grußwort, in dem er einen aktuellen Bezug zum Aufmarsch von Neonazis in Gütersloh am 16. September herstellte.

Höhepunkt des Treffens war jedoch ein Zeitzeugengespräch mit dem Kölner Jean Jülich. In einem bewegenen Vortrag erzählte er von seiner Jugend bei den "Edelweißpiraten", einer Jugendbewegung, die sich aktiv am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligte. "Wir waren die Litfasssäulen des Widerstands", so der 77-Jährige über das bunte Erscheinungsbild der "Edelweißpiraten". Während Jülich für seinen Widerstand ins Gefängnis kam, wurden die meisten seiner Freunde ermordet. Für seine Courage wurde Jülich bereits Mitte der 1980er-Jahre vom Staat Israel als "Gerechter unter den Völkern", der höchsten Auszeichnung für im Widerstand tätige Nichtjuden, ausgezeichnet. Anschließend begeisterte Jülich die Zuhörer/-innen mit Liedern der "Edelweißpiraten". "So ein Gespräch mit einem Zeitzeugen des Nationalsozialismus gibt Mut, sich weiter antifaschistisch zu engagieren", meinte ein Teilnehmer.

Abgerundet wurde das Antifa-Treffen durch zwei weitere Veranstaltungen. Zum einen ging es um die Frage, ob es gerechte Kriege geben kann, zum anderen beschäftigte man sich mit steigenden rechtsextremen Einflüssen in der Musik.


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