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Der Patriot – Lippstädter Zeitung , 14.09.2006 :

"Mein Zuhause, das ist doch hier in Lippstadt" / Kinder sollen in den Kosovo abgeschoben werden, obwohl die Mutter in der Klinik liegt

Lippstadt. Die vierzehnjährige Albulena Zeneli hat genaue Vorstellungen von ihrer Zukunft. Sie möchte Abitur machen, studieren und später Ärztin werden. Als Klassenbeste der achten Jahrgangsstufe an der Edith-Stein-Realschule hat sie dafür beste Vorraussetzungen. Doch über die Zukunft Albulenas entscheiden keine Noten, sondern Verwaltungsjuristen. Heute in aller Frühe soll die 14-Jährige mit ihrem Vater und ihren fünf Geschwistern in den Kosovo abgeschoben werden.

Das Asylverfahren der seit 1999 in Deutschland lebenden Familie wurde vor kurzem endgültig abgelehnt. Vor einer Woche erhielten die Zenelis die Aufforderung, in ihre Heimat zurückzukehren. Ein Anwalt der Familie stellte einen Eilantrag, um die Abschiebung noch in letzter Minute zu verhindern – vergeblich (s. Bericht auf dieser Seite). Am heutigen Donnerstag müssten Albulena und ihre Familie um 5 Uhr mit gepackten Koffern vor der Tür stehen.

Für Albulena und ihre Geschwister (18, 16, 12, 8 und 6 Jahre) schlicht eine Katastrophe. "Ich habe Angst, mein Zuhause ist doch hier", gesteht das Mädchen. Zurück nach Albanien bedeutet für sie: zurück in ein Land, in dem sie sah, wie ihre Oma im Haus verbrannte und ihr Opa ermordet wurde. Zurück in ein Land, dessen Sprache sie kaum noch beherrscht. Und vor allem: Die "Heimreise" müsste sie ohne ihre Mutter antreten. Denn die 38-Jährige leidet seit der Flucht aus dem Kosovo unter einer schweren posttraumatischen Psychose und befindet sich vermutlich noch für Wochen in stationärer Behandlung in Eickelborn.

Gerade deshalb ist für Schulleiter Ulrich Formann "die Nacht und Nebel-Aktion, mit der die Familie abgeschoben wird", kaum zu fassen: "Die Zenelis sind in Deutschland absolut integriert. Der Vater hat seit fünf Jahren eine Anstellung im Baugewerbe. Hier liegt keine achtköpfige Familie dem Staat auf der Tasche."

Entsetzt und auch traurig sind auch Albulenas Freundinnen und Klassenkameraden. Verzweifelt versuchten sie gestern früh noch ein Wunder zu bewirken: "Wo soll Albulena hin? Wie soll sie leben?" schrieben sie in einem Brief an die Ausländerbehörde und forderten: "Albulena muss in Deutschland bleiben."

Das aber scheint mehr als fraglich: "Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass der Antrag der Stadt auf Abschiebung rechtsgültig ist. Die Maßnahme kann grundsätzlich durchgeführt werden", teilte Pressesprecher Peter Paschert auf Anfrage mit. Vermutlich sitzen Albulena und ihre Geschwister heute Mittag schon im Flugzeug – auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft.


Redaktion@DerPatriot.de

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