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Büro für ungewöhnliche Maßnahmen (BUM) , 11.09.2006 :

Vorwärts, und nie vergessen, die Solidarität! Der Kampf um soziale und politische Grundrechte war, ist und bleibt links! / Linker Aufruf zur Demonstration "gegen Sozialabbau und Rentenklau" am 16.09.

Ort: Bahnhofsvorplatz Gütersloh, Beginn ca. 13.00 Uhr

Am 16.09. wollen die so genannten "Freien Kameradschaften", also Nazis, wieder einen Aufmarsch durch Gütersloh veranstalten. Der Vorwand, unter dem sie dies tun, lautet "gegen Sozialabbau und Rentenklau".

Zunächst ein paar Worte zum Thema "Soziale Gerechtigkeit". Wir als Linke sind von Anbeginn an der Meinung, dass sich die menschliche Gesellschaft in der Bewertung von Menschen nicht an ihrer "Verwertbarkeit" orientieren darf. Das bedeutet, dass alle Menschen weltweit ein grundsätzliches Recht auf Frieden, Essen, Wohnung, politische und persönliche Selbstbestimmung, Bildung und freie Ort des Wohnorts haben. Alle diese Rechte gelten für alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe, Geschlechtes, Alters, sexueller Orientierung, und unabhängig vom Wohn- oder Geburtsort oder der Tatsache körperlicher oder geistiger "Besonderheiten" (von anderen auch "Behinderungen") genannt.

Die weltweite Verwirklichung dieser Rechte ist eine ferne Zukunftsvision, aber absolute Bedingung für eine gerechte und solidarische Gesellschaft, wie wir sie anstreben und für die wir kämpfen. Für eine gesellschaftliche Analyse ist hier weder Ort noch Platz genug, nur soviel: Im Kapitalismus, wie er bis auf gewisse Ausnahmen weltweit als Wirtschaftssystem vorherrscht, gehört die Selektion in erwerbsfähig oder eben nicht. Je nachdem, ob du noch nicht (weil du ein Kind bist), nicht mehr (weil du Alt bist) oder nie (weil du entsprechend "behindert" bist) erwerbstätig bist oder warst, wirst du unterschiedlich behandelt. Weitere Faktoren sind "Gebärfähigkeit" (HERRschaft von Männern oder Frauen ist weltweiter Standard), rassistische Auswahlkriterien, "Klassenzugehörigkeit" und Wissen, das nur über formale Qualifikationen gemessen wird und nicht allen zugänglich ist.

Das Ganze spielt sich dann weltweit unterschiedlich ab. Der Grund hierfür liegt historisch gesehen in der Tatsache, dass durch Kolonialismus, Imperialismus und heute die Macht von Großkonzernen und Kartellen die bestehenden "Nationalstaaten" im kapitalistischen Sinne "unterschiedlich" entwickelt sind. Daraus ergibt sich, dass die Staaten über unterschiedlich viel gesellschaftlichen Reichtum verfügen. Dieser ist dann üblicherweise ungerecht unter den Mitgliedern der jeweiligen Staaten verteilt.

Nach "außen" gesehen bedeutet das, dass zwischen den kapitalistischen Konzernen ein Kampf um Marktanteile und Ressourcen stattfindet. Die meist westlichen Industriestaaten spielen hier die Rolle, den wirtschaftlichen Akteuren die optimalen Profitbedingen in der ganzen Welt zu ermöglichen, wenn's sein muss eben durch Krieg und Terror. Um all diesem eine Rechtfertigung zu geben, wird dann gerne die "Religion" bemüht und erklärt, der entsprechende Krieg sei "Gottes Wille".

Ebenso gut geeignet ist die Forderung nach "Menschenrechten", die genau dann einen Interventionsgrund liefern, wenn der andere Staat über interessante Ressourcen verfügt.

Für Menschen in der Bundesrepublik bedeutet das, dass sie hier nach kapitalistischen Kriterien bewertet werden und dann nach dem hiesigen Standard "arm", "reich" oder irgendwas dazwischen sind. Das drückt sich dann für Frauen, "Behinderte", "Alte" MigrantInnen, Nichtsesshafte oder die "ArbeiterInnenklasse" unterschiedlich hart aus.

Aber – da dieser Staat im Weltmaßstab gesehen unermesslich reich ist, ist fast allen ein Überleben möglich. Das funktioniert nur, weil es Gegenden auf der Welt gibt, die so bitterarm sind, dass Tausende oder Millionen von Menschen sterben, weil sie nicht an Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente herankommen. Daher wird die "Sicherung" der Grenzen der Industrienationen auch immer wichtiger, damit diese ihren Reichtum behalten und den Rest der Welt weiter ausbluten lassen können.

Wenn wir als Linke also über soziale Gerechtigkeit reden, können wir das nur weltweit und für alle Menschen tun. "Deutschland" ist in diesem Zusammenhang keine Kategorie. Der Kampf um Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde kennt keine Grenze, sei es Fluss, Berg oder künstlich gezogene und militärische "Staatsgrenze".

Und diese Überlegungen, so radikal, wie sie sind und sein müssen, sind die Grundlage unseres politischen Denkens und Handelns. Deswegen ist eine Demonstration "gegen Sozialabbau" unsere Demonstration. Es sind unsere Inhalte und wir werden sie auch keinem anderen überlassen. Auch dann nicht, wenn wir genau wissen, dass den Nazi-Anmeldern der Sozialabbau im Grunde pupsegal ist.

Daher fordern wir als Linke unser sogar gesetzlich verbrieftes Recht ein, eine Demonstration für soziale Gerechtigkeit durchzuführen. Niemand hat das Recht, uns die Teilnahme an dieser Demonstration zu verwehren. Wir werden für soziale Gerechtigkeit demonstrieren, egal, wer da sonst außer uns noch so rumsteht! Niemand wird uns daran hindern. Und wenn dies polizeilicherseits geschehen sollte, betrachten wir das als einen weiteren staatlichen Rechtsbruch.

Wer Nazis das Recht erknüppelt, in linken Montagsdemos gegen den Willen der VeranstalterInnen mitmarschieren zu dürfen, muss schon einen interessanten "rechtlichen" Spagat zuwege bringen, uns von der Demonstration auszuschließen. Wir sind sehr auf die Begründung gespannt, mit der uns das Recht auf Demonstrationsfreiheit genommen werden soll. "Gefahr im Verzug" wird es von unserer Seite aus nicht geben.

- Wir demonstrieren nicht mit den Nazis zusammen, weil wir mit denen zusammen gar nichts tun.
- Wir demonstrieren an dieser Stelle nicht gegen die Nazis, weil uns die Polizei sonst rauswirft.
- Wir greifen die Nazis nicht an, weil dies unserem Konzept für diesen Tag widerspricht.
- Wir demonstrieren an diesem Tag für eine gerechte Gesellschaft, und wenn die Nazis dann nicht so gut zu hören und zu sehen sind, tja, dann liegts wohl daran, dass wir mehr
sind ...
- Aber wir demonstrieren gegen Sozialabbau und für sichere Renten, und das ist unser gutes Recht.

Wenn die Polizei dann Sorge hat, dass die Anmelder sich nicht demokratisch zu benehmen wissen (was uns nicht wirklich wundern würde), dann sollte sie vielleicht die Konsequenzen ziehen und die ganze Sache abblasen ... Wenn nicht, muss sie uns dann wohl vor den Nazis beschützen.


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