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Vlothoer Anzeiger , 08.09.2006 :

"Ein milder Regen von Auszeichnungen tröpfelt übers Land" / Helmut Urbschat fragte sich 1979 in den Gedanken zum Sonntag:" Ist ein Orden gefällig?" / Ganz Unscheinbare ehren

Vlotho (va). Lange bevor die heimischen Pastoren die "Gedanken zum Sonntag" schrieben, füllten andere Autoren die beliebte VA-Rubrik. Helmut Urbschat, seit gestern Träger des Bundesverdienstkreuzes, fragte sich 1979: "Ist ein Orden gefällig?"

"Recht unfreundlich soll Theodor Heuss, unser erster Bundespräsident, reagiert haben, als das Ansinnen an ihn gerichtet wurde, der jungen Republik einen Verdienstorden zu stiften.

Das war nur zu verständlich. Denn noch wenige Jahre zuvor hatten die Nazis Deutschland mit ihren Talmi-Auszeichnungen überschwemmt, deren Ordensgeklapper hatte vom Blutorden über die Nahkampfspange bis zum Mutterkreuz gereicht.

Der lebenskluge Liberale aus dem Schwabenland mag auch erwogen haben, in einer Republik werde Dienst an der Gemeinschaft seinen Lohn in sich selbst tragen. Aber des Volkes Stimme - oder nur der Drang hoher Staatsdiener nach vorzeigbaren Ehrenzeichen? - war stärker: seit mehr als zwei Jahrzehnten kann man hierzulande ein Bundesverdienstkreuz bekommen. Jeder Bürger darf dem Bundespräsidenten für solche Ehrung Personen vorschlagen, sich selber glücklicherweise nicht.

Und seither tröpfelt ein milder Regen von Auszeichnungen übers Land. In Vlotho haben am ehesten verdiente Kommunalpolitiker davon abbekommen, ich nenne Ernst Albrecht, unseren verstorbenen Landrat, Annemarie von Lengerke, Wilhelm Obernolte und Hans Schwarze. Wer auch nur annähernd ermisst, wie viel Mühe und wie wenig Dank politische Arbeit auf der unteren Ebene bringt, wird ihnen diese Anerkennung von Herzen gönnen. Sonst geht die kleine Schleife für die Festtagsbluse der Damen und das Knopfloch der Herren schon einmal an Arbeitnehmer, die einer einzigen Firma 25 Jahre die Treue gehalten haben.

Andererseits belehren uns Spitzenkräfte der Wirtschaft wie der Politik sehr häufig, wie nötig es für unsere Volkswirtschaft sei, dass die Beschäftigten mobil blieben, also öfter und gern den Arbeitsplatz wechselten. Wie sich das mit der letztgenannten Ehrung verträgt, bleibt das Geheimnis derer, die so entschieden haben. Auf jeden Fall wollen sie doch wohl deutlich machen, auch der Mann auf der Straße könne sich um unseren Staat verdient machen. Ist es nicht an der Zeit, diesen Ansatz weiter zu führen, damit ein Verdienstkreuz nicht Vorrecht der höheren Ränge bleibt?

Warum wird nicht der Gastarbeiter bedacht, der lange Jahre hindurch die Drecksarbeit für uns getan hat? Warum nicht die Mutter des unheilbar kranken Kindes, die es achtzehn lange Jahre versorgt und durch diese Pflege ihre eigene Gesundheit eingebüßt hat? Wir sollten anfangen, neben den Verdiensten der Großen die besondere Leistung der ganz Unscheinbaren zu ehren. Dem würde, glaube ich, "Papa Heuss" freundliche Zustimmung nicken."


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